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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Martin Liebschwager

Martin Liebschwager ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Harsewinkel.

Wo mag das alles noch hinführen? Das denke ich schon den ganzen Monat April, in dem ich fast täglich im T-Shirt durch die Gegend laufe, weil er so ungewöhnlich warm und regenarm ist. Täglich muss ich im Garten gießen und spüre, dass die Erderwärmung ihre Spuren hinterlässt - vor allem in der Landwirtschaft. Mir macht das Angst, wenn ich höre, dass der Countdown für unsere Erde, für Gottes gute Schöpfung, heruntergezählt wird.
Wo mag das alles noch hinführen? Das dachte ich, als ich eine Dokumentation über die »Geiz-ist-geil«-Mentalität in unserem Land sah mit ihren Auswirkungen zum einen auf die Produktionsverhältnisse in den Entwicklungsländern, zum anderen auf die Fleisch- und Milchproduktion in unserem Land, in der Menschen dort und Tiere hier zum reinen Produktionsfaktor verkommen und damit weit entfernt von der Idee sind, die hinter der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichte steht.
Wo mag das alles noch hinführen? Das mögen sich die geplagten Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft gedacht haben, als ihre Hoffnungen an den Ufern der Flüsse in Babylon versiegten und ihre Tränen die Flüsse füllten.
Wo mag das alles noch hinführen? Das wird sich auch der Schreiber in Babylon gedacht haben, als er sein Volk sah. Soll er in die allgemeine Klage und Depression mit einstimmen? Nein, gegen die Hoffnungslosigkeit entwirft er ein großartiges Schöpfungsgemälde, die mutige Vision einer Welt, in der das Miteinander der Geschöpfe so wunderbar geregelt ist, ein Paradies halt, von dem man zu Recht sagen kann: »Und siehe, es war sehr gut!«
Ich glaube, wir brauchen diese Bilder der Hoffnung, auch die Bilder der Erinnerung, die uns für die Gegenwart und noch mehr für die Zukunft nicht blind machen sollen, sondern in uns etwas wach halten, auf das hin wir leben und unser Leben gestalten können.
Herbert Grönemeyer singt: »Und der Mensch heißt Mensch, weil er erinnert, weil er kämpft, weil er hofft und liebt, weil er mitfühlt und vergibt . . .«
Es gibt Momente, da tut es gut zu klagen, zu weinen, seine schweren Gefühle vor Gott zu bringen. Im Blick auf unsere missbrauchte Schöpfung tut es gut, sich daran zu erinnern, welche Gestaltungskraft uns geschenkt ist. Deswegen brauchen wir Worte wie den Predigttext für Sonntag, die Schöpfungsgeschichte aus dem 1. Buch Mose, die uns eine Welt vor Augen führt, an die es sich lohnt zu erinnern, um die es sich lohnt zu kämpfen, auf die hin es sich lohnt zu hoffen und sie zu lieben, für die es sich lohnt mit ihr mitzufühlen und aus der Vergebung Kraft und Mut zu entwickeln.

Artikel vom 28.04.2007