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Auflodernd wie dürre Kartenhäuser

Vor 175 Jahren zerstörte eine große Feuersbrunst Teile Dissens - 43 Familien obdachlos

Von Achim Köpp
Dissen (WB). 175 Jahre sind verflossen seit jenem Großbrand unvorstellbaren Ausmaßes, der ein Drittel des damaligen Dorfes Dissen vernichtete. 32 Häuser des Nachbardorfes von Borgholzhausen lagen in wenigen Stunden in Schutt und Asche, 43 Familien mit mehr als 200 Personen waren obdachlos. Doch schon ein Jahr später waren die meisten Häuser wieder aufgebaut - ein Musterbeispiel für Zusammenhalt, Tatkraft und nachbarschaftliche Hilfe.

Über das schreckliche Unglück berichteten damals Zeugen in verschiedenen Publikationen. So existiert ein Dokument, das dem Engagement des damaligen Pastors Justus Voss zu verdanken ist. Es ist die Niederschrift einer Predigt, die der Geistliche am Jahrestag des Brandes in der Mauritius-Kirche hielt, zu deren Gemeindegliedern schon damals ganz viele Bürger aus Westbarthausen, Ostbarthausen und Kleekamp zählten. Vereinfacht in Auszügen ist sie hier wiedergegeben: »Gut hundert Häuser zählte man zu Anfang des 19. Jahrhunderts im Dorf Dissen, etwa 700 Menschen wohnten hier. Ihre Häuser bestanden aus leicht brennbaren Materialien, aus Lehmwänden und Strohdecken unter dem Dach, dicht an dicht ein Haus an das andere gelehnt in engen Gassen. Die Katastrophe traf Dissen am 26. April 1832 wie ein Keulenschlag.
Es war Donnerstagabend gegen halb acht Uhr. Neben der Mauritius-Kirche im Haus Brüning, das von etlichen unbemittelten Heuerleuten bewohnt war an der Nordostseite des Kirchhofs - der Kirchburg, heute Kirchplatz - im Zentrum des Dorfes, rüstete man zum Abendessen. Wahrscheinlich durch eine Unvorsichtigkeit beim Anzünden des Herdfeuers brach der Brand aus, der schon vier Stunden später ein Drittel des Ortes vernichtet hatte. Ein heftiger Nordostwind aus Richtung Hankenüll hatte schon zuvor acht Tage lang die Häuser förmlich ausgedörrt und in einen leicht entflammbaren Zustand versetzt.
So hatte das Feuer leichtes Spiel, griff im Nu auf die östliche Reihe des Kirchhofs über, so dass schon fünf Häuser in hellen Flammen standen, bis endlich eine der Handspritzen heran gebracht wurde und auch lederne Löscheimer von Hand zu Hand weiter gereicht wurden. Doch die Helfer hatten ihre Rechnung ohne die Kraft des immer stärker werdenden Windes gemacht. Die Flammen schwangen sich hinüber auf die westliche Häuserreihe des Kirchhofs und ließen sie wie dürre Kartenhäuser auflodern.
Ein Schrei des Entsetzens ging durch die herbei geeilte Menge, denn dort lag die Raßmannsche Apotheke, dort und in den angrenzenden Kaufmannshäusern lagerten große Mengen an Pulver, Waren aller Art und brennbaren Stoffen. Und dicht dahinter standen dicht gedrängt weitere Häuser. Mit dem Auflodern der Häuser und der beiden großen Kolonate Fromme und Westendarp war der Weg frei, und das Feuer hörte nicht eher auf, seiner verheerenden Wut freien Lauf zu lassen, bis es das entgegen gesetzte Ende des Ortes erreicht hatte. Wären nicht mittlerweile die Spritzen aus den Nachbarorten angelangt, wäre vielleicht ganz Dissen in dieser Nacht in einen öden Schutthaufen verwandelt worden.«
Soweit die vereinfachte Wiedergabe der in bilderreicher Sprache gehaltenen Predigt von Pastor Justus Voss, der sie später als kleine Druckschrift »zum Besten armer Schüler, die beim Brande ihre Schulbücher eingebüßt haben« vertreiben ließ. Auf 48 200 Reichsthaler belief sich der Schaden an Häusern und Eigentum, den das Feuer anrichtete. Häuser wurden von der Brandkasse ersetzt, sein Mobiliar aber hatte kein einziger der Abgebrannten versichert. Und so kam es zu einer unvergleichlichen Hilfswelle für diejenigen, die ihr Hab und Gut verloren hatten. Daran beteiligten sich alle Ämter des Königreichs Hannover, sogar aus Minden, das zu Preußen gehörte, gingen Spenden ein.

Artikel vom 01.05.2007