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Pärchen plante Kita-Einbrüche mit Telefonbuch

Getränkehandel-Überfall bestritten

Von Stefanie Hennigs
Versmold/Bielefeld (WB). Um die nächste Dosis Heroin zu finanzieren, ist ein Versmolder Paar im vergangenen Spätsommer zum Teil fast täglich in Kindergärten und Arztpraxen im Altkreis eingebrochen. Für 21 Straftaten verantworten sich die 29-Jährige und ihr Freund (35) seit gestern vor dem Landgericht Bielefeld. Den Getränkehandel »Trink-Fuchs« überfallen zu haben, bestreiten mittlerweile jedoch beide.

Da konnte Carl-Friedrich Brinkmann, Richter der X. Strafkammer, noch so geschickt und beharrlich nachfragen: Die vierfache Mutter - keines ihrer Kinder lebt bei ihr - wollte nichts mehr davon wissen, dass sie sowohl bei der Polizei als auch gegenüber dem Gutachter erklärt hatte, mit ihrem Freund am 24. Oktober den »Trinkfuchs« an der Münsterstraße überfallen zu haben. »Wir waren es nicht«, wiederholte sie gestern gebetsmühlenartig. Bei der Polizei habe sie unter Druck gestanden und deshalb die Tat zugegeben. Ihr Freund hatte die Tat von vornherein abgestritten.
Der kurzfristig vorgeladene Vernehmungsbeamte erklärte jedoch, dass sie alle Angaben von sich aus gemacht habe. Dass sie dabei Tatdetails wie Maskierung und Beute ganz anders schilderte als die überfallene 63-jährige Verkäuferin (»Ich dachte, er hätte vergessen, die Sturmhaube abzusetzen. Dann sah ich die Pistole!«), hielt ihr der Richter mehrfach vor.
»Wir können es gar nicht gewesen sein, weil wir um 16.37 Uhr im Neukauf einkaufen gewesen sind. Das weiß ich noch genau«, argumentierte die sonst gestern an vielen Gedächtnislücken leidende Angeklagte, warum sie bei dem um 16.35 Uhr begangenen Überfall nicht wie früher behauptet im Fluchtwagen gewartet haben kann. Darauf der Richter: »Entweder Sie halten uns für absolute Deppen oder Sie sind selber einer.« Warum sie etwas zugegeben hat, was sie möglicherweise gar nicht getan hat, versuchte ein Sachverständiger zu erklären: »Möglicherweise wollte sie sich wichtig machen. Sie schien stolz auf die Taten zu sein.« Er könne bei ihr eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen und bescheinigte ihr Naivität und fehlendes Schuldbewusstsein.
Rundum geständig zeigte sich das Paar bei den 21 Einbrüchen, Auto- und Kennzeichendiebstählen, die sie von August bis Oktober 2006 begangen haben sollen: Meist nachts zwischen 1 und 4 Uhr hatten sie Fenster von Kindergärten und Arztpraxen in Versmold, Werther, Halle, Steinhagen und Bad Iburg eingeschlagen, nach Geld und Wertgegenständen gesucht. Tatorte suchten sie auch im Telefonbuch. Die Einbruchserie hatte vor allem in Versmold für Aufsehen gesorgt, weil fast jeder Kindergarten von den ungebetenen Gästen betroffen war. Angeklagt wurden längst nicht alle Fälle, die das Paar eingeräumt hatte. Als Diebesgut-Lager diente der Keller ihrer Wohnung. Außerdem hatten sie Autos aufgebrochen - um Wertgegenstände wie Computer zu stehlen oder die Wagen gleich für ihre Diebestouren zu nutzen.
Knapp 2000 Euro Bargeld sollen ihnen so laut Anklage in die Hände gefallen sein, außerdem Kameras und Computerteile. Das alles geschah, um die Heroin-Sucht und Lebensmittel zu finanzieren, gaben die beiden Arbeitslosen vor Gericht an. Am 28. Oktober waren die Drogenabhängigen festgenommen worden und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Ein Gutachter bescheinigte dem mehrfach vorbestraften 35-Jährigen, voll schuldfähig zu sein.
Das Urteil wird für kommenden Donnerstag erwartet. Dann wird die Verhandlung um 9 Uhr im Landgericht fortgesetzt.

Artikel vom 20.04.2007