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Die Stones sind sehr diszipliniert

Konzertveranstalter Fritz Rau erinnert an 50 Jahre Musikgeschichte

Von Klaus Gosmann
Bielefeld (WB). Eine Lesung mit Deutschlands bekanntestem Veranstalter, Fritz Rau, findet am Montag, 23. April, 20 Uhr, im Bielefelder »Kaffeekunst« statt. der 77-Jährige hat sein Buch »50 Jahre Backstage - Erinnerungen eines Konzertveranstalters« im Tourgepäck. Außerdem wird der Pianist Alexander von Wangenheim zwischendurch beherzt in die Tasten greifen. Vorab stand die »raue Eminenz« der deutschen Konzertbranche im Telefon-Interview Rede und Antwort.

Sie waren jahrelang derjenige, der die Auftritte anderer Künstler organisiert hat, jetzt stehen Sie selbst im Rampenlicht. Wie gefällt Ihnen der Rollenwechsel?
Fritz Rau: Na ja, ich bin ein Vortragskünstler, der nicht vergleichbar ist, mit den Künstlern, die ich auf die Bühne geschickt habe. Es ist aber auch sehr aufregend, und ich habe immer noch Lampenfieber vor jedem Vortrag. Ich richte mich nach einem Wort des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard: »Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.« Ich kann da 50 Jahre Erfahrung einbringen.

Werden Sie Auszüge aus Ihrem Buch lesen?
Fritz Rau: Nein, ich halte einen Vortrag über mein Leben auf der Basis des Buches. Es können Fragen gestellt werden, und ich signiere mit Freude und Wonne die Bücher.

Welche Rolle spielt in diesem Rahmen Pianist Alexander von Wangenheim?
Fritz Rau: Er spielt Boogie-Woogie, Blues und Balladen von Elton John und auch eine von Udo Lindenberg: »Bis ans Ende der Welt«.

Sie haben angefangen mit den Jazzern, dann kamen die Blueser, dann die Rockmusiker, zwischendurch auch Schlagerkünstler. Gab es Musikstile, bei denen die Künstler einfacher waren in der Zusammenarbeit als die anderer Genres?
Fritz Rau: Jeder Künstler ist eine Insel. Jeder Künstler ist gleich einfach, gleich schwierig, das ist unterschiedlich. Mir sind die Schwierigen -Ê auch wenn sie mir Kopfweh bereitet haben - , die es aber auf der Bühne gebracht haben oder bringen, lieber als Brave, Angenehme, die es nicht so bringen.

Wer zählt zu den vermeintlich Schwierigeren, die es auf der Bühne gebracht haben?
Fritz Rau: Zum Beispiel die »Rolling Stones« und Peter Maffay. Das sind Präzisionsleute, die 100-prozentige Leistung bringen und auch 100-prozentigen Einsatz vom Veranstalter verlangen.

Sie gelten als alter Preuße, was die Tugenden anbelangt. Stimmt es, dass Musiker wie die »Stones« entgegen ihres Images auch alte Preußen sind?
Fritz Rau: Sie sind ungeheuer diszipliniert -Ê ganz egal, was die Boulevardpresse auch alles schreibt und erfunden hat. Mit über 60 Jahren zwei Stunden auf der Bühne das Publikum zu begeistern: Das kann man nicht, wenn man nur an Sex und Drugs und Rock'n'Roll gedacht hat.

Die »Stones« und andere britische Bluesrocker haben ihre US- amerikanischen Vorbilder durch die von Ihnen gemeinsam mit Horst Lippmann seit Anfang der 60er Jahre veranstalteten American Folk Blues-Festivals erstmals live gesehen. Wie wurden die schwarzen Bluesmusiker außerhalb der Konzertsäle in Europa empfangen?
Fritz Rau: Sie wurden eigentlich sehr geschätzt, weil sie ja gute Konzerte gaben. Aber es gab auch Probleme: Der Sonny Boy Williamson hat in Baden-Baden ein Karnickel auf dem Zimmer geschlachtet, aber wir konnten vermeiden, dass wir rausgeworfen wurden.

Stichwort: Sicherheit. Kann man bei großen Open-Air-Konzerten durch sorgfältige Vorbereitung weitgehend ausschließen, dass Unglücke passieren?
Fritz Rau: Man kann gar nichts ausschließen, es kann sogar so ein Soundtower umstürzen, wo das Equipment draufsteht. Ich hatte großen Schiss vor den Open-Airs, aber wir haben's dann doch gemacht. Ich bin nach Amerika zu meinem Freund Bill Graham geflogen. Er war der beste Open-Air-Veranstalter der Welt, er hat mich in seinen Backstage-Bereich gelassen: natürlich in Kalifornien, wo gutes Wetter war, und da habe ich sehr viel gelernt und konnte dann mein erstes Open-Air mit den »Rolling Stones« verhältnismäßig spät 1976 in Stuttgart erfolgreich durchführen.

Warum haben Sie bei Open-Air-Festivals so gern auf eine gewisse Dialektik in der Dramaturgie gesetzt - zum Beispiel Joan Baez allein mit der Gitarre zwischen Frank Zappa und »Genesis« platziert?
Fritz Rau: Man muss Ruhemomente schaffen. Zwischen der Band von Eric Clapton und Bob Dylan habe ich Champion Jack Dupree mit seinem Piano-Blues auftreten lassen, und beide Künstler waren begeistert.

Einmal hat die Mischung nicht funktioniert: Als Peter Maffay 1982 - unter anderem in Hannover - im Vorprogramm der »Rolling Stones« auftrat, stieß er auf den Unmut des Stadionpublikums. Warum?
Fritz Rau: Das war furchtbar für Peter Maffay. Es war sein Wunsch, mit den »Stones« zu spielen, und ich habe Mick Jagger die Schallplatten gegeben. Wir haben das in Paris im Vorfeld verhandelt, und er sagte: »Ja, o.k., ein bisschen soft, aber gute Musiker.« Das Publikum war voller Vorurteile, aber beim letzten Konzert in München konnte Maffay sogar eine Zugabe geben. Die andere Vorgruppe, »J. Geils Band«, war hervorragend und genau geeignet, vor den »Stones« zu spielen, aber bei den Verhandlungen habe ich darauf bestanden, dass Peter Maffay die Show nicht eröffnet. Das war ein Fehler, weil Maffay als Opener Sympathie erweckt hätte, aber nach der »J. Geils Band« hast du nur die »Stones« gebraucht. Ich hatte außerdem erreicht, dass Maffay für jede verkaufte Karte zwei Mark bekommen hat, so war das Schmerzensgeld wenigstens anständig.

Stimmt die Anekdote, dass Sie von einem Ordner auf einem Ihrer Konzerte abgewiesen wurden, weil Sie ausnahmsweise ihren Backstage-Ausweis nicht umhängen hatten?
Fritz Rau: Bei jedem Open-Air-Festival treten mehrere Bands auf. Da bin ich zu jeder Gruppe rausgesprungen und habe geguckt, ob die wirklich ordentlich ankommen: Ich trage ja die Verantwortung. Einmal hatte ich keinen Backstage-Pass. Ich ging zurück, da stand so ein Zwei-Meter-Ordner vor mir, und ich habe gebrüllt: »Ich bin Fritz Rau!« Und er hat gesagt: »Und ich Karl Müller, und Sie kommen ohne Pass nicht rein.« Ich habe ihm dann ein Trinkgeld von 20 Mark gegeben, ihn gebeten, seinen Ordnerchef anzurufen, und habe ab da verlangt, dass der Kerl bei jedem Open-Air backstage eingesetzt wird. Das hat mir imponiert.

l Karten gibt es im Vorverkauf für 13,50 Euro im Kaffeekunst und bei der Buchhandlung Stute sowie an der Abendkasse.

Artikel vom 19.04.2007