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Er signierte
mit einem
Fragezeichen

Lehrerinnen warnten


Blacksburg (dpa). Der Amokläufer von Blacksburg (Virginia) hasste seinen Namen. Der Südkoreaner Cho Seung-Hui signierte nur mit einem Fragezeichen.
In Seminaren trug er eine Sonnenbrille, fotografierte mit seinem Mobiltelefon Mitstudentinnen unter dem Tisch, verfolgte junge Frauen und schockierte Komilitonen mit makabren Gedichten und Theaterstücken voller Gewalt-, Sexual- und Todesfantasien.
Vieles deutete seit Jahren auf eine gestörte Persönlichkeit des Einzelgängers hin. Aber niemand in der Technischen Universität von Blacksburg setzte vor der Bluttat alle Puzzle-Stücke zusammen. Die Englisch-Dozentin Nikki Giovanni informierte ihre Vorgesetzte Lucinda Roy bereits 2005, dass sie eher ihren Job aufgeben, als den Südkoreaner weiter unterrichten wolle. Dessen Gedichte seien Angst einflößend gewesen, sagte sie. Roy gab Cho daraufhin ein Semester lang Einzelunterricht und versuchte, an ihn heranzukommen. »Ich habe nichts als Leere gespürt«, sagt Roy. »Ich dachte, er könnte sich etwas zufügen, er war so depressiv.«
Roy ging dann zur Universitätsleitung, die verständigte die Polizei. Die Antwort habe gelautet, dass man wegen der Meinungsfreiheit nichts gegen makabre Gedichte machen könne. Cho habe sich verteidigt, dass seine Werke reine Satire seien. Aus Sorge vor einer Selbstmordgefährdung wurde Cho Seung Hui jedoch Ende 2005 von der Polizei in eine psychiatrische Klinik gebracht.
Vom Tisch war gestern, nach dem bislang blutigsten Amoklauf in der Geschichte der USA mit 33 Toten, das zunächst angenommene Tatmotiv, der 23-Jährige sei nach einem Liebes- oder Eifersuchtsdrama ausgerastet. Denn nach Angaben ihrer Freundin hatte die 18 Jahre alte Emily Hilscher, Chos erstes Opfer, zuvor nie etwas mit dem jungen Mann zu tun gehabt.

Artikel vom 19.04.2007