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Kassenpatient wie Privatpatient behandeln

Immer mehr niedergelassene Ärzte planen Systemausstieg

Von Ernst-Wilhelm Pape
Gütersloh (WB). Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland haben ihren Protest gegen aus ihrer Sicht unhaltbare Arbeitsbedingungen, ausufernde Bürokratie und chronische Unterfinanzierung verschärft.

In Nordrhein-Westfalen will nicht nur die Mehrheit der Urologen ihre Kassenzulassung zurückgeben. Auch in zwei Versorgungsgebieten, Kreis Gütersloh und Solingen, planen Haus- und Fachärzte den Systemausstieg.
Die Behandlung von Kassenpatienten wird dann nach der Gebührenordnung für Privatpatienten direkt mit den Kassen abgerechnet. »Für ihre Praxen sehen die Mediziner keine wirtschaftliche Perspektiven mehr,« sagte der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, dieser Zeitung. Ferner wolle man die Patienten nicht im Stich lassen und sie weiter behandeln.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) befinden sich ein Drittel der 96 000 Arztpraxen in einer »äußerst prekären finanziellen Lage«. Betroffen seien vor allem Ärzte in den neuen Ländern. Eine Umfrage bei 20 000 Ärzten habe ergeben, dass sich ein Drittel mit der Rückgabe der Kassenzulassung befasst haben. Zehn Prozent davon hätten sich bereits zum Systemausstieg beraten lassen, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl.
Nach Angaben des Bundesverbandes der Urologen sind bereits in Nordrhein-Westfalen und in Baden sogenannte Korbmodelle einrichtet worden. Bei einem Rechtsanwalt werden in einem »Korb« die Verzichtserklärungen auf die Kassenzulassung gesammelt. Haben sich 70 bis 75 Prozent der Mediziner zu diesem Schritt entschlossen, wird über das weitere Vorgehen beraten.
Im Kreis Gütersloh hat die Ärzte-Schutzgemeinschaft Systemausstieg Rechtsanwalt Frank Schramm aus Kiel mit der Einrichtung eines Korbes und dem Ziel des kollektiven Zulassungsverzichts beauftragt. Dr. Michael Prange (Verl), Sprecher des Ärztenetzes MediGüt: »Die Versorgung der Patienten wird sich verbessern, weil wir nach dem Ausstieg nicht mehr den Einschränkungen in Therapie und Versorgung unterworfen sind.«
In Solingen wollen sich mindestens 70 Prozent der Ärzte aller Fachgruppen an dem Korbmodell beteiligen. Augenärzte, Orthopäden, Fachärzte für Allgemein- und Innere Medizin, Psychiater, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte sowie Kinderärzte planen nach Angaben der Freien Ärzteschaft den Verzicht auf die Kassenzulassung.
www.zulassungsverzicht.de

Artikel vom 16.04.2007