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Angesteckt vom Virus der Geschichte

Ulrike Biermann zeigt Werthers Landschaft, berichtet von Waldheimat und Böckstiegel

Von Frauke Kanbach
Werther (WB). »Mal gucken, was auf einen zukommt.« Ulrike Biermann ist ganz unbedarft an die Ausbildung zur Stadtführerin in Werther herangegangen. Jetzt hat sie der Virus der Geschichte gepackt.

»Ich liebe Werther«, macht die 53-Jährige ihrer Heimatstadt ein großes Kompliment. Es sei eine gemütliche Kleinstadt, landschaftlich wundervoll gelegen. Durch diese herrliche Landschaft nimmt die Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) die Teilnehmer ihrer Führung »Natur, Landschaft und Sport - geführter Spaziergang« mit.
Vom Sportplatz geht es vorbei an der Alten Mühle, die ihre eigenen Vorfahren gebaut haben, zum Industriedenkmal Knochenmühle. Dort wurde von 1856 bis 1978 Schiefer abgebaut: Die alten Fabrikhallen sind Zeugnisse dieser vergangenen Zeit. Unterwegs breitet sich unter den Spaziergängern Werther im kleinen Tal aus, und bei gutem Wetter öffnet sich der Blick am Horizont bis zum Wiehengebirge.
Ziel des Spaziergangs durch den Teutoburger Wald ist die Waldheimat. 1904 als Heim für schwer erziehbare Mädchen gegründet, lernten die Mädchen dort die täglichen Dinge des Lebens wie Kochen, Waschen, Putzen und Nähen. Ulrike Biermann ist in der Nähe auf einem Hof groß geworden und erinnert sich, dass die Waldheimat oft Anlass für allerlei Spekulationen war: »Das eine oder andere Mädchen ist in Werther geblieben - der Liebe wegen.« Heute ist die Waldheimat ein Pflegeheim für geistig erkrankte Menschen.
Ulrike Biermann ist eine gebürtige Venghaus, und gesellschaftspolitischen Gemeinsinn bekam sie mit in die Wiege gelegt: siebeneinhalb Jahre Mitgliedschaft im Kreistag, Vorsitz der Frauenunion Werther sowie Mitgliedschaften im Heimat- und Schützenverein. Sie habe sich intensiver mit ihrer Heimatstadt auseinandersetzen, noch mehr erfahren wollen, erklärt die 53-jährige Mutter einer Tochter ihre Motivation, Stadtführerin zu werden. Sie gesteht: »Ich lebe hier schon mein ganzes Leben, kenne aber trotzdem viele Dinge nicht.«
Besonders fasziniert ist die politisch engagierte Frau von der Geschichte und Beziehung des Wertheraner Malers Peter-August Böckstiegel zu seiner Heimatstadt. Bücher über ihn habe sie schon lange im Schrank stehen gehabt, nun habe sie die auch mal heraus geholt und aufgeschlagen, wie sie lachend verrät. Darin erfährt sie, dass Böckstiegel seiner Zeit voraus gewesen sei. Schon in den 1930er Jahren habe er versucht, für Werther Marketing zu machen, indem er der Stadt Verschönerungsvorschläge unterbreitet habe, erzählt Ulrike Biermann. In den Vorgärten der Häuser in der Ravensberger Straße sollten bunte Blumen und Bäume blühen und an den Ortseingängen bunt bemalte Eichenpömpel stehen. »Damals ist die Stadt nicht darauf eingegangen«, zeigt sie sich überrascht, dass die Stadt ihren berühmtesten Sohn neben August Storck erst so spät für sich entdeckt hat.
Mehr Informationen zu Ulrike Biermanns Stadtführungen unter Telefon 0 52 03/ 42 68. Neben »Natur, Landschaft und Sport - geführter Spaziergang« und »P.A. Böckstiegel - Sohn unserer Stadt« sind das noch »Wie die Stadt wuchs - Spaziergang durch die Zeitgeschichte« und »Der Sitz von Rittern, Adeligen und Zigarrenmachern - das ÝfesteÜ Haus Werther«.

Artikel vom 16.04.2007