16.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Eltern werden nicht
mehr eingebunden«

WB-Interview mit VBE-Referentin Barbara Nolte

Gütersloh (WB). Das Landeskabinett hat einen neuen Gesetzentwurf zum KiBiz (Kinderbildungsgesetz) verabschiedet. Die Novelle soll ab August 2008 das Vorläufergesetz GTK (Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder) ablösen. Anlässlich der Aktualität des Themas hatte der Verband für Bildung und Erziehung (VBE) Erzieherinnen aus dem Kreis ins Forum der Anne-Frank-Schule eingeladen. Barbara Nolte, Referatsleiterin »Erzieherinnen« des VBE-Landesverbandes, erläuterte die Eckpunkte der Gesetzesnovelle und führte die Kritiken des VBE auf. WESTFALEN-BLATT-Mitarbeiter Dirk Dieckmann sprach mit der Referentin.

Frau Nolte, Sie kritisieren, der neue Gesetzesentwurf des Landeskabinetts zum Kinderbildungsgesetz sei im Vergleich zum Vorgängergesetz GTK ein Rückschritt in der Erziehungs- und Bildungspolitik. Welche Versäumnisse sehen Sie hier konkret vorliegen?
Barbara Nolte: Wir kritisieren, dass hier lediglich ein inhaltlicher, aber kein struktureller Dialog geführt wird. Das heißt, dass über die Inhalte der Bildungs- und Erziehungspolitik diskutiert wird, gleichzeitig aber keine Mittel zur Realisierung dieser hohen Standards bereitgestellt werden. Überdies werden die Kürzungen der vergangenen Jahre nicht ausgeglichen. Es gibt aber noch weitere Kritikpunkte. In der bisherigen Regelung wurden die Eltern im Rahmen der Elternräte in die pädagogische, personelle und sachliche Entwicklung der Einrichtung eingebunden. Der KiBiz-Entwurf sieht diese Form der Elternbeteiligung hinsichtlich der Ausgestaltung nicht vor und legt sie vollständig in die Hände der Trägerschaften. Ein neues Gesetz sollte zudem mehr Transparenz in die kommunalen Regelungen bringen. Diese Tendenz ist hierbei nicht zu erkennen. Es bleibt bei all dem aber zu bedenken, dass dies lediglich erste Einschätzungen sind. Genaueres kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Wir haben mit der Veranstaltung zunächst die Erzieherinnen der Region informieren wollen.

Sie erwähnten in Ihrem Vortrag, der Entwurf zur Gesetzesänderung enthalte auch gute Ansätze, die der VBE begrüße. Welche sind dies im Einzelnen?
Barbara Nolte: Was wir begrüßen ist der Bildungsgedanke, den der Entwurf im Grundsatz trägt. Es soll Bildungsdokumentationen über den Entwicklungsweg jedes einzelnen Kindes geben. Hierzu müssen die Eltern natürlich im einzelnen zustimmen. Weiterhin begrüßen wir, dass die Sprachförderung gesetzlich verankert werden soll. Das Pilotprojekt Familienzentren wird hier auf festere Füße gestellt. So sollen sich Tageseinrichtungen in Zukunft in so genannte Familienzentren umstrukturieren können. Hierfür würden dann weitere finanzielle Mittel seitens des Landes fließen, um Familienunterstützung auf breiterer Ebene besser wahrnehmen zu können. Wir begrüßen diese Verbesserungsvorschläge im Grundsatz, verweisen aber darauf, dass für die Erfüllung dieser Aufträge entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssten. Konkret heißt das vor allem, dass wir Personal brauchen.

Welche Umstellungen würden sich im Falle einer Änderung gemäß dem KiBiz-Entwurf für die Eltern ergeben? Was müssen Sie in Zukunft besonders beachten?
Barbara Nolte: Eltern sollten darauf achten, ihre Betreuungsbedarfe, das heißt insbesondere die Betreuungszeiten, rechtzeitig beim jeweiligen Träger anzumelden. Dadurch, dass der Entwurf vorsieht die Beitragsregelungen vom Land auf die Kommunen zu übertragen, werden sich von Ort zu Ort unterschiedliche Beitragssätze vorfinden lassen. Je nach Haushaltslage der jeweiligen Kommune werden auch die Betreuungsangebote entsprechend unterschiedlich sein und in einigen Fällen möglicherweise nicht alle Bedarfe decken können. Die Beiträge werden zudem abhängig von der Einkommenssituation der Eltern gestaffelt. Bildung und Erziehung werden einmal mehr von der finanziellen Situation der Familie abhängig werden.

Was also ist die zentrale Forderung des VBE? Hat der Verband alternative Vorschläge?
Barbara Nolte: Es ist nicht sinnvoll ein Gesetz mit inhaltlich guten Ansätzen zu gestalten, dabei aber die Realisierung zu blockieren, indem man die notwendigen finanziellen, personellen und sachlichen Ressourcen nicht bereit stellt. Außerdem sollten in diesem Zuge die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bildungs- und Erziehungsarbeit in die Neuerungen eingeflochten werden. Die Neuerungsvorschläge sind zum Teil im Kern gut. Der Vorgang darf aber nicht auf dem Rücken der Kinder und Erzieher ausgetragen werden. Die Umverteilung der Beitragsregelung vom Land auf die Kommunen birgt Gefahren, aufgrund der unterschiedlichen Haushaltssituationen der einzelnen Kommunen. Wenn wir Gerechtigkeit und gleiche Chancen für alle Kinder wollen, dann müssen wir über die Beitragsregelungen noch mal nachdenken. In diesem Entwurf ist eine gleichberechtigte Chancenverbesserung aller Kinder nicht klar erkennbar. Bei Forderungen der Politik, wie »Kinder sind unsere Zukunft«, bleibt es leider oft bei einem Lippenbekenntnis. Gerade dann, wenn es um die Finanzierung geht.

Artikel vom 16.04.2007