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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Josef Dieste

Josef Dieste ist Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Herz Jesu Halle.

Feierliches Brausen der Orgel beim Einzug der Erstkommunionkinder. Das ist ihr Weißer Sonntag! In den Orgelklang mischt sich unüberhörbar Murmeln der Leute. Zusammen mit den Ministranten und dem Pfarrer ziehen unerwartet nur neun Jungen in die Kirche ein. Neun blaue Anzüge, kein weißes Kleid! Wegen der großen Anzahl der Kommunionkinder waren zwei Feiern nötig. Die Mädchen hatten sich alle für den anderen Termin entschieden. Geht das? Weißer Sonntag ohne weiße Kleider? Diese Frage war auf den Gesichtern der Gläubigen deutlich zu lesen.
Die Farbe Weiß an diesem ersten Sonntag nach Ostern erinnert mehr an die Taufe als an die Erstkommunion. In den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche wurden die Menschen vorwiegend im Erwachsenenalter in der Osternacht getauft. Dabei wurden sie nicht nur mit Wasser ein wenig übergossen, sondern so richtig im Wasser untergetaucht. Als sie aus diesem »Bad der Taufe« heraus stiegen, wurde ihnen als Zeichen der Reinheit weiße Gewänder angelegt. Das Ereignis ihrer Taufe war den Menschen so wichtig, dass sie das weiße Kleid noch eine ganze Woche lang getragen haben. Am Sonntag nach Ostern, also dem Weißen Sonntag wurde es abgelegt. Nun war es wichtig, das Zeichen der Taufe im Alltag zu leben. Der angenommene Glaube musste sich nun als tragfähig erweisen.
Der Weiße Sonntag ist also noch einmal eine starke Erinnerung an die Taufe, durch die ein Mensch in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurde. Deshalb ist dieser Tag auch der klassische Tag der Erstkommunion: Die Mädchen und Jungen werden, meist im Alter von neuen Jahren, durch den Empfang der Kommunion ganz in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Sie empfangen den »„Leib Christi« in der Gestalt einer kleinen Scheibe Brot in der Erinnerung an das letzte Abendmahl. Hier hat Jesus seinen Freunden zugesagt: Wer dieses Brot isst hat Gemeinschaft mit mir. Und aus dieser Gemeinschaft mit Jesus lebt die Gemeinschaft der Glaubenden, die Kirche.
In unseren Pfarrgemeinden wird die Erstkommunion aus praktischen Gründen meist im Mai gefeiert. Damit wird die Idee des Weißen Sonntags nur etwas verlagert. Sie geht aber nicht verloren. Das hübsche weiße Kleid der Mädchen ist mitnichten ein vorweggenommenen Brautkleid, sondern eine Erinnerung an das Kleid, das den kleinen Kindern bei der Taufe angezogen wird. Und was ist mit den Jungs? Die haben zwar selten ein weißen Gewand, aber immer, wie die Mädchen auch, eine Kerze, meistens ihre Taufkerze. Ob weißes Kleid oder Kerze - beide Zeichen erinnern an eine Feier, bei der die Kinder selbst noch gar nicht viel sagen konnten. Damals haben die Eltern und die Paten zugesagt, dem Kind vorzuleben was es heißt, Gott und die Menschen zu lieben wie Jesus es selbst gelebt hat. Jetzt, in der Feier der Erstkommunion, werden die Kinder ein erstes Mal selbst nach ihren Glauben gefragt. Jetzt geben sie mit der Taufkerze in der Hand die Antwort: Ja, ich glaube.
Dieser Glaube bleibt hier noch kindlicher Glaube. Der Weiße Sonntag kann nicht Abschluss sein, sondern nur ein deutlicher Schritt auf dem Glaubensweg vorwärts. Glaube will sich entwickeln. Er soll wachsen. Das ereignet sich weniger in Feiertagsstimmung, sondern in der Normalität des Alltags. So wie die Christen in der frühen Kirche nach einer Woche das weiße Taufgewand abgelegt haben, so werden auch die Kommunionkinder und ihre Familien nach der großen Feier wieder im Alltag ankommen.
Die nach den weißen Kleidern der Mädchen fragenden Gesichter der Leute in der Kirche würden sich vielleicht durch diesen Hinweis entspannen: Die blauen Anzüge der Jungs sind die »Blaumänner des Alltags«, in dem der Glaube immer seine Bewährungsprobe hat.

Artikel vom 14.04.2007