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»Beck zieht nicht« - SPD-Chef ist vielen Bürgern unbekannt

Umfrage ein Jahr nach Wahl zum Vorsitzenden der Sozialdemokraten

Von Dirk Schröder
Berlin/Mainz (WB). Wer ist Vorsitzender der SPD. »Ich denke Franz Müntefering«, war häufig die Antwort. Das Ergebnis dieser Umfrage dürfte dem SPD-Chef Kurt Beck überhaupt nicht gefallen haben.
SPD-Vorsitzender Kurt Beck (vorn) in Afghanistan. Wegen seines Vorstoßes für eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung der radikal-islamischen Taliban ist Beck heftig kritisiert worden. Foto: dpa
Seit einem Jahr steht der rheinland-pfälzische Ministerpräsident an der Spitze der Sozialdemokraten, doch vielen Bundesbürgern ist dies noch nicht bekannt. Nur 35 Prozent konnten bei einer Forsa-Umfrage korrekt sagen, wer die SPD führt. 16 Prozent nannten andere Politiker, am häufigsten den früheren Parteivorsitzenden Franz Müntefering, der das Amt schon 2005 aus einem nichtigen Grund niedergelegt hatte. 49 Prozent sagten, sie wüssten den Namen des derzeitigen SPD-Chefs nicht.
Freuen wird sich Beck auch nicht über ein weiteres Ergebnis der Umfrage, nach dem er bei einer direkten Kanzlerwahl weit abgeschlagen hinter der derzeitigen Regierungschefin Angela Merkel landen würde. Nur 19 Prozent sprachen sich für den SPD-Chef als Kanzler aus, für Merkel würden 48 Prozent der Bundesbürger stimmen.
Dies muss ihn genau so »hart getroffen« haben wie ein Bericht des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«. Darin war Beck ausgerechnet mit dem glücklosen früheren SPD-Vorsitzenden und heutigen Radfahrer-Präsidenten Rudolf Scharping verglichen worden. »König Kurt« sei ein Kaiser ohne Kleider, schrieb das Magazin.
Dabei hat vor einem Jahr für den populären Landesvater alles mit großem Optimismus begonnen. Nachdem Matthias Platzzeck am 10. April 2006 das Amt nach nur wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte, war die Zeit des Pfälzers gekommen. Und auch die Delegierten des Sonderparteitags, die Beck nach den dramatischen Ereignissen der Vormonate mit überwältigender Mehrheit zum elften Nachkriegs-Vorsitzenden der Sozialdemokraten wählten, war ganz klar, dass sie endlich einmal mit einer Stimme sprechen und ihrem neuen Chef den Rücken stärken mussten.
Die SPD hoffte mit diesem Mann aus dem Volk, dem von nicht wenigen Gespür für das Durchsetzbare und Sinn für die öffentliche Wirkung von Politik nachgesagt wurde, aus dem Umfragetief herauszukommen und an die erfolgreichen Zeiten anknüpfen zu können.
Matthias Platzeck mag Recht haben, wenn er zu der bisherigen Bilanz seines Nachfolgers sagt: »Die Partei ist wieder stabil geworden, sie hat sich gefunden. Jetzt können und wollen wir wieder offensiver werden«, gibt er die Hoffnung der ach so gebeutelten Genossen wider. Darauf darf man jedoch gespannt sein. Beck hat zwar die Reihen der SPD in den vergangenen zwölf Monaten zusammengehalten, doch die politischen Erfolge fehlen noch.
Dennoch stellt Platzeck fest: »An ihm gibt es nichts zu meckern.« Da irrt der Brandenburger Ministerpräsident, genügt ein Blick auf die bisherigen außenpolitischen Auftritte Becks. Mit der von ihm beschworenen Gefahr einer Bedrohung Russlands durch die Pläne der USA, in Osteuropa zehn Abwehrraketen ohne Sprengsätze zu stationieren, versucht Beck zwar, die SPD wieder als Friedenspartei zu positionieren. Solche populistischen Vorstöße mögen auch auf ein positives Echo in Teilen der Bevölkerung stoßen - mit realistischer und verantwortlungsvoller Politik hat es aber wenig zu tun. Er sollte sich da nicht Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Vorbild nehmen, der mit seiner Haltung zum Irak-Krieg eine Wahl gewonnen hatte. Dies lässt sich nicht wiederholen. Und auch der SPD-Chef sollte die gerade wieder mühsam geflickte transatlantische Zusammenarbeit nicht wieder aufs Spiel setzen, nur weil es so »modern« ist, gegen die USA zu sein. Von einem neuen »Wettrüsten« zu sprechen, wie es Moskau aus nachvollziehbaren Gründen tut, das entspricht nicht den Tatsachen.
In guter Erinnerung ist auch noch seine Reise an den Hindukusch. Mit seiner Idee, moderate Taliban zu einer Friedenskonferenz einzuladen, ist er auch in den Reihen der SPD gescholten worden. Seine Kritiker bescheinigten ihm außenpolitische Inkompetenz. Und der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta, der lange Zeit in Deutschland gelebt hatte, zeigte sich verwundert über Becks »Ahnungslosigkeit« und meinte spöttisch: »Ich habe mich sehr gewundert, weil wir in Afghanistan seit geraumer Zeit moderate Taliban suchen und nicht finden.« So zu tun, als gebe es moderate oder nicht-moderate Taliban sei ähnlich richtig, »als wenn ich von Kabul aus sagen würde, man sollte in Rheinland-Pfalz zum Beispiel mit der NPD eine Koalition schließen, oder mit moderater NPD.«
Für Beck gibt es aber nicht nur Tadel. Lob kommt aus den Reihen der Gewerkschaften, und von ihm selbst. So stellt Beck in seiner Bilanz der vergangenen zwölf Monate fest: »Es war für mich persönlich ein anstrengendes, aber gutes Jahr. Ich habe den Eindruck, dass die Sozialdemokratie, die ja durchaus in einer fordernden Situation war, sich gefangen hat und dass wir uns deutlich stabilisiert haben.«
Ganz anderer Meinung ist der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner. »Der Beck zieht nicht«, stellt er kurz und brutal fest. Die neuesten Umfragen geben ihm da recht.

Artikel vom 12.04.2007