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Franz Müntefering hat vorausschauend schon einmal eine Ampelkoalition ins Gespräch gebracht.

Leitartikel
SPD-Chef Kurt Beck

Die Bilanz
nach zwölf
Monaten


Von Dirk Schröder
Viel Lob aus den Reihen der Gewerkschaften. Darauf kann sich SPD-Chef Kurt Beck auch ein Jahr nach seinem Amtsantritt verlassen. Doch so recht dürfte bei dem Pfälzer dennoch keine Freude aufkommen. Zwei Drittel der Bundesbürger kennen den Namen des SPD-Vorsitzenden nicht, und in der Kanzlerpräferenz fällt Beck unter die 20-Prozent-Marke - der niedrigste Wert, seitdem er die Sozialdemokraten führt.
Es ist verständlich, dass der Mainzer Ministerpräsident öffentlich eine gute Bilanz seiner zwölf Monate an der Spitze der SPD zieht. Doch schon ein kurzer Blick hinter die Kulissen zeigtt: Wirkliche Richtungszeichen in die Zukunft hat Beck bis heute nicht gesetzt. Und es ist fraglich, ob ihm der Spagat zwischen der Landeshauptstadt und der fernen Bundeshauptstadt überhaupt gelingen wird.
Blickt man ein Jahr zurück, nimmt man Beck ab, dass er keine andere Wahl hatte, als den Platz auf der Kommandobrücke einzunehmen, nachdem die Sozialdemokraten unter seinen Vorgängern Gerhard Schröder, Franz Müntefering und dem sehr kurzen Gastspiel von Matthias Platzeck in unruhige See geraten waren.
Nach einem Jahr hat Beck die SPD zwar zur Ruhe kommen lassen, das Rumoren in der Partei hat aufgehört. Doch dürfte dies nicht allein das Verdienst des neuen Chefs sein, sondern auch der Einsicht der Mitglieder zu verdanken sein, dass es höchste Zeit war, den Schlingerkurs zu stabilisieren.
Mit dem gemütlichen Kurt Beck, dem verständnisvollen Landesvater, hofften viele SPD-Mitglieder, werde dies gelingen. Nach einem Jahr sind davon aber schon nicht mehr so viele überzeugt. Die SPD dümpelt in Umfragen noch immer unter der 30-Prozent-Marke herum, hat den Mitgliederschwund nicht stoppen können. Die CDU profiliert sich mit der Familienpolitik Ursula von der Leyens auf ureigenen SPD-Feldern, und von links macht ihr der populistische Oskar Lafontaine das Leben schwer.
Und dann sind da noch die peinlichen Patzer Becks mit seinen Ratschlägen an bärtige Arbeitslose, seiner wenig fachkundigen Aussage, der CO2-Ausstoß bei Atomkraftwerken sei erheblich, und dem Plädoyer für Verhandlungen mit den Taliban in Afghanistan, der dem Hobby-Außenpolitiker Spott und Unverständnis nicht nur in Deutschland einbrachte.
Es ist nicht ausgemachte Sache, dass Beck auch der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird. Doch sehr wahrscheinlich. Dabei gerät die Partei in eine Zwickmühle. Viele SPD-Anhänger - das zeigen auch die Umfragen - trauen Beck nicht zu, dass es ihm gelingen könnte, Angela Merkel aus dem Bundeskanzleramt zu treiben. Doch weit und breit ist auch niemand anderer in Sicht.
Und der Ausweg? Vorvorgänger Franz Müntefering hat vorausschauend schon einmal eine Ampelkoalition von APD, FDP und Grünen ins Gespräch gebracht. Auf ein Becksches Zeichen des Aufbruchs werden er und die Sozialdemokraten aber wohl vergeblich warten.

Artikel vom 12.04.2007