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Jugendamt feuert Pflegemutter

Besorgte Frau soll ihre Verschwiegenheitspflicht verletzt haben

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Einer Pflegemutter, die sich aus Sorge um ein Baby an ihren Bundestagsabgeordneten gewandt hatte, ist der Pflegevertrag fristlos gekündigt worden - wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.

Die Erzieherin (40) und ihr Mann (44) leben mit ihren vier Kindern in einem kleinen Ort in Ostwestfalen. 2005 waren die beiden vom Kreisjugendamt als Bereitsschaftspflegeeltern unter Vertrag genommen worden. Wenn die Behörde von jetzt auf gleich ein Kind unterbringen musste, weil etwa beide Elternteile schwer erkrankt waren oder ein Kind zu seinem Schutz aus der leiblichen Familie genommen wurde, stand das Ehepaar bereit. Fünf Mädchen und Jungen hatten seit 2005 bei den Pflegeeltern ein Zuhause auf Zeit gefunden - einige nur für ein paar Tage, ein Säugling zuletzt sogar für drei Monate.
Als das Jugendamt dieses Baby wieder zu seinen leiblichen Eltern bringen wollte, hatte sich die Bereitschaftspflegemutter quergestellt (WESTFALEN-BLATT vom 31. März 2007). Die 40-Jährige: »Das Baby kam mit zwölf Wochen zu uns, weil es von Polizisten in einer verwahrlosten Wohnung entdeckt worden war. Es war nicht altersgemäß entwickelt, ungepflegt und litt an einem Raucherhusten. Die Mutter ist 19 Jahre alt und nach Auskunft des Jugendamtes psychisch krank.« Die 19-Jährige habe weder ihren Mutterpass noch die Krankenversicherungskarte des Kindes finden können und es bei Besuchskontakten abgelehnt, den schreienden Säugling auf den Arm zu nehmen. »Ich befürchte einfach, dass dem Baby bei seinen leiblichen Eltern etwas zustößt«, sagt die Pflegemutter. Weil das Jugendamt nicht dieser Ansicht war, wandte sich die Frau an ihren Bundestagsabgeordneten. Der sprach den Landrat des betreffenden Kreises an, der sich von seinem Jugendamt über den Fall informieren und überzeugen ließ, dass alles zum Wohle des Kindes getan werde.
Genau das glaubte die Pflegemutter nicht. Sie versuchte, mit Hilfe eines Familiengerichts die Rückgabe des Babys an seine Eltern zu verhindern und erst ein Gutachten über deren Erziehungsfähigkeit einholen zu lassen - vergeblich.
Nach diesem Rechtsstreit kündigte das Kreisjugendamt in der vergangenen Woche den Vertrag mit den Bereitschaftspflegeeltern. Zur Begründung hieß es, die Frau habe sich der Behörde widersetzt, indem sie einen Antrag beim Familiengericht gestellt habe. Zudem habe sie ihre Verschwiegenheitspflicht verletzt, als sie den Bundestagsabgeordneten informiert habe. Die Pflegemutter verbittert: »Wir haben das alles doch nur im Interesse des Säuglings getan. Auf der einen Seite fordern Politiker, nicht wegzusehen, wenn Kindern Unheil droht. Aber wenn man genau das tut, wird man bestraft.« Seite 2: Kommentar

Artikel vom 10.04.2007