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Die letzte Chance genutzt

Thomas Haas & Co. spielen im Daviscup-Halbfinale gegen Russland

Ostende (dpa). Das ihnen unbekannte Gefühl genossen Thomas Haas & Co. in vollen Zügen. Zum ersten Mal seit Boris Becker und Michael Stich im Jahr 1995 steht eine deutsche Tennis-Nationalmannschaft nach dem 3:2 gegen Belgien wieder im Daviscup-Halbfinale.

Es ist ein unverhoffter Erfolg nach jahrelangem Existenzkampf in der Weltgruppe, und das Team feierte ihn bis in den frühen Morgen. In der Vorschlussrunde vom 21. bis 23. September muss die Mannschaft von Kapitän Patrik Kühnen nach Russland reisen. Die USA bestreitet das andere Halbfinale in Schweden.
Schon nach dem Doppel, das Alexander Waske/Michael Kohlmann am Samstag mit 4:6, 6:2, 6:3, 6:1 gegen die Rochus-Brüder Olivier und Christophe gewannen, stand der Viertelfinal-Triumph fest. »Das ist ein Riesengefühl, auf das wir lange hingearbeitet haben«, sagte Erfolgscoach Kühnen, der es am Sonntag nach durchtanzter Nacht verschmerzen konnte, dass sowohl Haas-Ersatz Michael Kohlmann mit 6:3, 4:6, 4:6 gegen Christophe Rochus als auch Philipp Kohlschreiber mit 2:6, 3:6 gegen Dick Norman die beiden letzten Einzel verloren.
»Das ist ein toller Tag für das deutsche Tennis«, sagte Georg von Waldenfels, Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), und fügte lächelnd hinzu: »Die Mannschaft hat das Zeug dazu, noch viel mehr zu erreichen. Wer Kroatien schlägt, kann auch in Russland bestehen.« Allerdings: Von acht Vergleichen gegen die Russen konnten die Deutschen bisher nur drei gewinnen.
»Es ist ein Traum, und hoffentlich geht er noch weiter«, sagte Haas, der bei einem neuerlichen Scheitern seinen vor dem Auftaktmatch gegen Kroatien angedeuteten Rücktritt wohl wahrgemacht hätte. Doch seit die Mannschaft das Wir-Gefühl entdeckt hat, sich ohne Neid und Querelen am gemeinsamen Ziel orientiert, hat der Australian-Open-Halbfinalist den Spaß am Daviscup wiedergefunden.
An der Sonderstellung des 29-Jährigen, der gegen Kristof Vliegen nur mühsam 6:7 (4:7), 7:5, 6:4, 6:2 gewinnen konnte, wagt niemand zu rütteln. »Der Schlüssel ist die Mannschaft«, erklärt Bundestrainer Kühnen. »Aber was Tommy erreicht hat, dass er nach eineinhalb Jahren Verletzungspause zum zweiten Mal in den besten Zehn der Weltrangliste steht, bewundern alle. Die Spieler schauen zu ihm auf.«
Der Star in der Mannschaft interpretiert seine Rolle jedoch anders als Becker oder Stich. »Auf dem Platz und bei jedem Training ist er ein akribischer Arbeiter, ein Perfektionist. Danach aber sieht er sich als Teammitglied. Er beansprucht keine Sonderrechte«, erzählte Kühnen, der dem »echten Führungsspieler« dann doch erlaubte, schon vor den letzten Einzeln zum Turnier nach Houston zu reisen.
»Tommy hat so viel für das Team geleistet, da muss das drin sein«, meinte Kühnen, der mit der Nominierung von Kohlschreiber an Stelle von Florian Mayer wieder ein glückliches Händchen bewies. »Es war auch eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, und ich freue mich, dass sie richtig war. Mehr noch aber freue ich mich, dass Kohli beim 6:3, 7:5, 7:6 (7:4)-Sieg gegen Olivier Rochus ein so berauschendes Debüt hingelegt hat. Er ist ein toller Spieler.«
Gut möglich, dass Kohlschreiber (»Ich bin nicht arrogant, sondern glaube an meine Stärke«) in Russland wieder die Nummer zwei sein wird, auch wenn Kühnen klarstellte: »Zum Team zählen nicht nur die Vier von Ostende, sondern auch Florian Mayer und Benjamin Becker.«
Haas will im September in jedem Fall dabei sein. Auch wenn ihm der Termin nach den US Open nicht in die Planung passt und er ihn vielleicht beim Aufstieg in der Weltrangliste behindert: »Es stimmt, dass mich das manchmal ärgert. Aber im Halbfinale ist uns der Termin wurscht.«

Artikel vom 10.04.2007