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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Christoph Grün

Christoph Grün ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Versmold.
Pfarrer Grün bezieht sich auf den Holzschnitt von Karl Schmidt-Rottluff, »Gang nach Emmaus« aus 1914.

Wirklich? Dass Ostern das höchste der christlichen Feste ist und dass die Überschwänglichkeit dieses Festes noch weit in den normalen Alltag hinein ausstrahlen soll - davon ist heute so gut wie nichts zu merken.
Warum soll man sich denn auch freuen? Was Zeitung und Fernsehen Tag für Tag ins Haus bringen, sind doch meistens schreckliche Nachrichten, die einem Angst machen können; Bilder und Nachrichten von Kampf und Tod, von Unfällen und Katastrophen, von Korruption und Umweltzerstörung, immer unerträglicher.
Ich habe manchmal einfach keine Lust mehr, mir das anzuschauen, ich entwickele dann Aggressionen, die ja eigentlich Ausdruck meiner Ohnmacht, meiner Hilflosigkeit sind.
Ich möchte manchmal mit Scheuklappen rumlaufen,
nur noch das sehen, was ich will.
Ich möchte wegschauen, mich verkriechen,
die Augen verschließen vor der Wirklichkeit.
Mir geht es dann so wie den beiden Männern auf diesem Holzschnitt . Sie wollen auch nichts mehr sehen, haben ihre Augen geschlossen, sind wie blind. Das Bild gehört zu einer Ostergeschichte aus dem Neuen Testament, die man beim Evangelisten Lukas nachlesen kann (Luk. 24,13-35).
Noch sind die Jünger mit den unerkannten, unbekannten Jesus auf dem Weg. Noch sind sie ganz im Dunkel, ängstlich, verzweifelt. Noch sind ihre Augen wie zugeklebt. Aber der Weg, der vor ihnen liegt, und sie selbst sind schon erhellt von dem, was in Emmaus geschehen wird; die Sonne, zwar als schwarzer Ball dargestellt, wirft ihre Strahlen nach vorn auf den Weg. Die Jünger werden später sagen: »Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Weg?«
Auf dem Weg - ich denke, wir können uns mit hineinnehmen in diese Geschichte, wir können uns auch auf diesem Weg sehen. Mit uns gehen auch noch viele andere Menschen, viele in der selbstgewählten oder schicksalhaften Dunkelheit ihres Lebens, in ihrer Angst vor dem Tod, mit ihren unausgesprochenen Fragen nach dem Woher und dem Wohin. Auch wir wissen nicht, wohin genau wir gehen, aber ab und zu merken wir vielleicht, dass unser Herz brennt, dass wir gepackt sind von dem, was uns da von diesem Jesus erzählt wird.
»Brannte nicht unser Herz?« Wie kostbar sind diese Augenblicke, in denen ganz plötzlich klar wird: Dich redet er an, ganz persönlich, du selbst bist angesprochen, für dich bricht er das Brot, für dich gibt er sich hin, auf dich kommt's an, du bist gemeint. Und plötzlich ist die Geschichte Jesu keine irgendwie und irgendwann passierte Geschichte mehr. Du selbst bist angesprochen, bist herausgerufen. Diese Geschichte geht weiter, sie ist nicht zu Ende, sie handelt von dir, sie wird - deine Geschichte. Und daran, an diesem Ruf, der an dich ergeht - dein Name ist es, der ausgerufen wird - daran wird klar: Jesus lebt! Er spricht dich an! Er ist auferstanden!
Wir leben in der »Freudenzeit«, wir haben das Osterfest hinter uns. Uns ganz persönlich ist gesagt, dass Gott den Tod überwunden hat. Uns mutet Gott zu, mitten in allen schlimmen Nachrichten »Protestleute gegen den Tod« zu sein (Kurt Marti). Vertrauen wir darauf - wir ganz persönlich? Freuen wir uns darüber? Und - ist unsere Freude erkennbar und ansteckend?
Das wäre doch schon ganz, ganz viel.

Artikel vom 06.04.2007