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Schwierige
Suche nach
Vollstrecker

Kreis sucht Abschiebe-Experten

Von Stephan Rechlin
Kreis Gütersloh (WB). Laut Ausschreibung ist die Aufgabe hochinteressant, vielfältig, und abwechslungsreich. Darüber hinaus verspricht sie »Kundenkontakte«. Trotzdem will sie kein einziger Angestellter der Kreisverwaltung Gütersloh übernehmen. Um dennoch einen »Sachbearbeiter« für den Arbeitsbereich »Asyl, Flüchtlinge, Ausreisepflicht« zu finden, hat der Kreistag den Einstellungsstopp der Verwaltung gelockert.

Der »Haken« der neuen Stelle steht im Aufgabenkatalog. Der neue Kollege muss nicht nur Standard-EDV-Kenntnisse besitzen, Teamgeist haben und gleichzeitig die Fähigkeit zu selbstständiger Arbeit beweisen. Er muss auch »außerhalb der Dienstzeiten« an ausländerbehördlichen Ortskontrollen teilnehmen, ausreisepflichtige Ausländer abschieben und diese Entscheidung vor Amts-, Landes- und Oberlandesgerichten durchsetzen. »Dazu gehört sicher auch mal der Nachteinsatz bei einem ausreisepflichtigen Ausländer, der auch auf die zweite Aufforderung, das Land zu verlassen, nicht reagiert hat«, erläutert Kreis-Sprecher Jan Focken. Der Landrat sucht einen Vollstrecker seiner Abschiebepraxis.
Einer völlig rechtmäßigen Praxis. Um Flüchtlingen das ihnen zustehende Asylrecht gewähren zu können, geht Landrat Sven-Georg Adenauer rigoros gegen Ausländer vor, die dieses Recht missbrauchen. Von insgesamt 915 Asylanträgen im Kreis Gütersloh waren zuletzt 582 abgelehnt worden - die davon betroffenen Personen sind ausreisepflichtig. Freiwillig gingen 15 von ihnen, 97 wurden abgeschoben. Die anderen hatten plötzlich keinen Pass mehr, wurden krank, fanden einen Ehepartner oder tauchten unter. »Es gibt inzwischen zahlreiche Organisationen, die unrechtmäßig bleibenden Asylbewerbern Ratschläge geben, wie sie ihren weiteren Aufenthalt dennoch erreichen können«, erläuterte Adenauer im Kreisausschuss.
Doch eine harte Linie im Ausschuss zu verkünden ist offenbar etwas anderes als jenen Menschen gegenüberzutreten, die das Abschiebeschicksal trifft. Im Extremfall kann es dabei zu traumatischen Erlebnissen kommen. Im August 2003 setzte sich ein 33 Jahre alter Türke, Vater von fünf Kindern, im Ausländeramt in Brand, um gegen die vom Gericht verfügte Ausweisung zu protestieren. Er erlag später seinen Verletzungen. »Die Mitarbeiter traf nicht die geringste Schuld an dem Vorfall, doch die Bilder haften natürlich im Kopf«, teilt Jan Focken mit. Gefordert sei darum nicht nur körperliche, sondern auch seelische Belastbarkeit. Zu den Bewerbern zählten etwa Mitarbeiter aus dem Justizvollzug, aus Sicherheitsfirmen und aus Polizeibehörden.
Focken: »In schwierigen Situationen ruhig und gelassen zu bleiben, ist sicher eine Schlüsselqualifikation. Einen ÝRamboÜ können wir nicht gebrauchen.«

Artikel vom 05.04.2007