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Nur unangemeldete Kontrollen

NRW legt Heimgesetz vor - Staatliche Aufsicht soll verbessert werden

Düsseldorf (dpa). Mit einem landeseigenen Heimgesetz will die nordrhein-westfälische Landesregierung die staatliche Aufsicht verbessern. »In Zukunft sollen Kontrollen in Altenheimen grundsätzlich unangemeldet erfolgen«, kündigte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gestern an.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

Gleichzeitig solle dem Wunsch von Senioren Rechnung getragen werden, auch im Alter so selbstständig wie möglich zu leben. Derzeit leben zwei von drei Pflegebedürftigen zu Hause. Die Nachfrage nach ambulanter Pflege steige, sagte Laumann. Die Gesetzesnovelle soll 2009 in Kraft treten. Die Länder haben die Zuständigkeit für das Heimrecht mit Inkrafttreten der Föderalismusreform im vergangenen September erhalten.
»Das Heim ist kein Krankenhaus. Da wohnen Menschen«, betonte Laumann. Deshalb müsse sich das Leben in stationären Einrichtungen künftig »mehr am Zuhause als an Kliniken orientieren«. Von den bislang üblichen, angemeldeten Kontrollen halte er nichts, sagte Laumann. Wer künftig bei spontanen Tests gut abschneide, könne möglicherweise seltener kontrolliert werden. Die Prüfkriterien - etwa zu Brandschutz und Hygiene - sollen vereinheitlicht und Doppelzuständigkeiten abgebaut werden.
Bei den selbstständigeren Senioren gehe es mehr denn je darum, »viele bunte Programme und Ideen zulassen«. Dazu zählten sowohl Wohngemeinschaften als auch ambulante Pflegestationen, die in Mietshäusern eingerichtet werden könnten. Investoren und Träger bräuchten Rechtssicherheit, damit solche neuen Lebensformen nicht als Heime eingestuft und in Folge mit bürokratischen Vorgaben überzogen werden, sagte Laumann. »Das geht uns als Staat nichts an, wie die Leute zusammen leben.«
Deswegen werde das Landesheimrecht klarer und praxistauglicher vorgeben, was ein Heim ist und was nicht.
In den vergangenen Jahren habe es die Politik versäumt, die Qualitätsstandards, die sie für die Pflege formuliert hat, auch mit den nötigen finanziellen Mitteln zu unterfüttern, kritisierte Laumann. Ein wesentlicher Fehler sei es zudem gewesen, die Pflegestufen nach körperlichen Gebrechen zu definieren. Dabei seien Altersverwirrte völlig außer Acht gelassen worden. Um das Pflegesystem entsprechend zu erweitern, seien bundesweit drei Milliarden Euro zusätzlich nötig, sagte Laumann. Experten gingen davon aus, dass der Pflegebeitrag in Folge dessen von derzeit 1,7 auf zwei Prozent der Einkommen steigen müsste.
Unverzichtbar sei darüber hinaus eine Kapital gedeckte, eigentumsrechtlich geschützte Rücklage für die künftige Seniorengeneration der heute 45- bis 50-Jährigen, sagte Laumann. Anders sei die Pflege dieser geburtenstarken Jahrgänge nicht zu finanzieren.
Experten-Prognosen zufolge wird die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW bis 2010 von derzeit 460 000 auf 530 000 steigen. 2020 ist demnach mit 650 000, 2050 schon mit knapp einer Million zu rechnen. Dann werden zwei von drei Pflegebedürftigen 80 Jahre oder älter sein; jeder vierte pflegebedürftige Mann und mindestens jede dritte pflegebedürftige Frau werden sogar 90 oder älter sein. Damit potenziert sich das Demenz-Problem mit allen seinen finanziellen Folgen.
Derzeit sind nach Angaben des Ministers nur zwei bis drei Prozent der 70-Jährigen, aber schon 40 Prozent der 90-Jährigen altersverwirrt.

Artikel vom 03.04.2007