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Bevorzugt banal bis brutal

Das volle Programmm auf der Mattscheibe: Verblödet Deutschland?

Von Klaus Lükewille

Was ist los in diesem Land?
Dem Land der Dichter und Denker? Gibt es keine Bücher mehr? Keine Theater? Keine Kinos? Keine Ausstellungen? Keine Konzerte?
Gar nicht nötig, längst nicht so interessant - wie das Fernsehen. Deutschland einig Vaterland, versammelt vor der »Glotze«.
Das ist nicht neu, war aber noch nie so krass wie am vergangenen Wochenende.
Bevorzugte Programme: leicht und seicht, banal bis brutal.
Freitag, 30. März: 7,74 Millionen schalten Pro Sieben sein. Da steigt die Ring-Revanche zwischen dem Entertainer Stefan Raab und der amtierenden Box-Weltmeisterin Regina Halmich. Wer braucht diesen Krampf-Kampf? Wer findet es unterhaltsam oder sogar lustig, wenn sich eine Dame mit einem Fernseh-Witzbold prügelt?
Drei Zahlen, eine Antwort:
7,74 Millionen Zuschauer.
Samstag, 31. März: Wetten dass .... die Sendung wieder zieht? Obwohl auch in dieser Zeitung die letzten Abende des früheren Vorzeige-Formats im »Zweiten« nicht gerade als erste Sahne bezeichnet wurden. Was macht das schon?
10,51 Millionen können sich nicht irren. Wenn der blond gelockte Thomas Gottschalk wie ein Rauscheengel im roten Damenkleid über das Parkett schwebt - das ist doch wunderbar. Oder?
Zur gleichen Zeit suchte RTL wieder einmal seinen »Superstar«, den dieses Land ja nun wirklich unbedingt und ganz dringend braucht. Immerhin 4,54 Millionen wollten auch da zu Hause vor dem Schirm mit dabei sein. Matschscheiben vor der Mattscheibe?
Nein, nein, so weit wollen wir hier nicht gehen. Denn selbstverständlich darf jeder das Programm anknipsen, das er bevorzugt - und verdient.
An diesem 31. März entschieden sich die meisten Deutschen für RTL. Genau 15,99 Millionen schauten gebannt in die Röhre und den Ring.
Nur mal ein kleiner Blick nach draußen: So viele Leute würden in diesen Tagen nie und nimmer aus Protest gegen die Verabschiedung der kranken Gesundheitsreform auf die Straße gehen. Und schon gar nicht, wenn bestens verdienende Großunternehmen immer wieder Tausende Arbeitnehmer entlassen.
Lästiger, grauer Alltag.
Das Fernsehen bietet dafür ja die sonnigen Sonntage, vorzugsweise am Samstag. Wie am 31. März 2007. Superstar-Suche, Wetten, Boxen. Volles Programm.
Gutes Programm? Auch über den Geschmack vor dem heimischen Puschen-Kino sollte man nicht streiten. Und so waren sicherlich viele begeistert, als Henry Maske die Revanche gegen Virgil Hill gelang. Dabei hatte dieses Faust-Duell der alternden Männer keine sportliche Bedeutung. Es ging um nichts.
Klar, Maske sieht sich rehabilitiert. Für ihn war dieser Sieg eine Frage der Ehre. Aber das Geld und die Gagen spielten in München die Hauptrolle. Und natürlich die Quote.
15,99 Millionen. Glückwunsch, RTL. Die Vermarktung dieses TVEvents war weltmeisterlich, jedenfalls viel besser als der Kampf.
Und so bleibt die Frage, die schon einmal gestellt wurde:
Was ist los in diesem Land? Dem Land der Dichter und Denker? Ist das Fernsehen der große Lenker?
Erinnert sei an dieser Stelle an eine köstliche Szene des einmaligen Loriot. Da tobte sein Hausherr: »Ich lasse mir von meinem verdammten Fernseher doch nicht vorschreiben, was ich zu gucken habe.«
Genau so ist es.
Wie wäre es mit abschalten? Oder viel besser: Gar nicht erst einschalten. Geht vielleicht auch mal. Gerade in den stillen Tagen vor dem Osterfest. Denn es soll in diesem Land tatsächlich doch noch ein paar gute Bücher, Theater, Kinos, Ausstellungen und Konzerte geben.
Wetten, dass?

Artikel vom 03.04.2007