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Beschwerlicher Weg zu neuem Glück

Ausstellung im Heimatmuseum beleuchtet Versmolder Auswanderer-Geschichte(n)

Versmold (OH). Es war selten Abenteuerlust, sondern der pure Kampf um die Existenz, der im 19. Jahrhundert auch in Versmold große Auswanderungswellen auslöste. Das Thema, das auch heute durch Ein- und Auswanderung aktuell ist, ist in Versmold fest verwurzelt. Historische Hintergründe und persönliche Lebensgeschichten Versmolder Aus- und Einwanderer zeigt die gestern eröffnete Ausstellung »Wege in die neue Welt« im Heimatmuseum.

Vor allem zwischen 1830 und 1890 hatte die Auswanderung ihren festen Platz in jeder Familie. Geschätzt 2000 Menschen verließen in dieser Zeit ihre Versmolder Heimat -Êeine beachtliche Zahl angesichts von nicht einmal 8000 Einwohnern Ende des 19. Jahrhunderts. Die Auswanderung auf Zeit war dagegen schon viel früher Realität in der damaligen Gesellschaft. Schon mehr als 100 Jahre zuvor unternahmen Wanderarbeiter den »Hollandgang«, um sich in den Niederlanden für einige Monate als Torfmacher oder Grasmäher zu verdingen und den Lebensunterhalt zu verdienen.
»Im Versmold auf der Schwelle zur Industrialisierung reichte es nicht, um alle zu ernähren. Viele ohne eigenen Bauernhof hungerten jedes Jahr um ihr Leben. In Schulen fielen Kinder um vor Hunger«, beschreibt Stadtarchivar Dr. Richard Sautmann, der die Ausstellung zusammengestellt hat, die gesellschaftliche Lage im 19. Jahrhundert. Diese große Not, der Wunsch nach neuem Glück und Vorstellungen einer Neuen Welt, in der Milch und Honig fließen, seien für viele Menschen Motiv gewesen, auszuwandern. Zahlreiche dürften auch illegal ausgewandert sein -Êum dem preußischen Militärdienst zu entkommen. »Viele kamen aber vom Regen in die Traufe und mussten im amerikanischen Bürgerkrieg kämpfen«, erklärt Sautmann
»Die Auswanderer verkauften Hab und Gut, um sich auf einen langen, beschwerlichen Weg zu machen. Zumeist zu Fuß ging es nach Bremerhaven. Auf dem Weg lauerten Räuberbanden. Mit Pech landeten die Auswanderer auf einem morschen, windschiefen Kahn, der auf See unterging.« Wer indes am Ziel ankam, sei ohne zu wissen, wie es nun weitergeht, im Hafen abgesetzt worden. »Die zweite Auswanderergeneration hat es einfacher gehabt, hat Familie oder Freunde als Ansprechpartner in der neuen Heimat besessen.«
Die Ausstellung bietet einen Überblick über persönliche Schicksale, allgemeine Lebensumstände und den beschwerlichen, zu weilen gefährlichen Weg der Auswanderer. Dass das Thema nach wie vor aktuell ist, unterstreicht Bürgermeister Thorsten Klute. »Durch die spannenden Geschichten von Versmoldern, die ihre Stadt verlassen haben oder zurückgekehrt sind, kommt vielleicht auch mehr Verständnis für Einwanderer auf, die zu uns kommen oder in den vergangenen Jahren gekommen sind.«
Über 50 Besucher zur Eröffnung der Ausstellung freute sich Heimatvereinsvorsitzender Karl-Heinz Niebrügge. Sie wird bis zum 21. Oktober im Museum an der Speckstraße zu sehen sein -Êimmer mittwochs von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr.

Artikel vom 02.04.2007