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Wenn Kinder dem
Tod begegnen

Denkanstöße zur Trauerbegleitung

Werther (ka). »Erinnern Sie sich an ihre erste Begegnung mit dem Tod?«, bittet Pfarrer Hartmut Splitter seine Zuhörer und fragt sie, ob sie die Möglichkeit gehabt hätten, sich vom geliebten Haustier oder Großelternteil zu verabschieden.

Häufig nicht, wie die Frauen bestätigen, die am Mittwochabend zu seinem Vortrag »Wenn Kinder dem Tod begegnen« ins Familienzentrum gekommen sind. »Mit den Argumenten, die Kinder seien noch zu klein und es könne Schaden an ihren jungen Seelen nehmen, wenn man sie mit ans Sterbebett, an den Sarg oder auf den Friedhof nimmt, schützt man nicht die Kinder, sondern sich selbst«, versucht Hartmut Splitter dieses Verhalten zu erklären. Weil Erwachsene häufig nicht wüssten, wie sie angemessen auf Fragen der Kinder eingehen sollen und was ihnen hilft, den Verlust zu verarbeiten.
Hartmut Splitter hat Thesen aufgestellt, in denen er Anstöße zur Trauerbegleitung von Kindern gibt. Er bezieht sich dabei auf Gelesenes, Gehörtes und vor allem in seiner Arbeit als Pfarrer selbst Erfahrenes. Bis zur Einschulung verliert statistisch gesehen jedes Kind eine wichtige Bezugsperson durch Tod. Splitter betont, dass Kinder bereits um die Vergänglichkeit des Lebens im Zusammenhang mit dem Jahreskreis erlebt hätten. Vor dem Hintergrund moderner Pädagogik und Kinderpsychologie sei es daher ein Fehler, Kinder bei der Trauer außen vorzulassen. Auch sollten sie vorbereitet am Sterbebett, am Sarg oder auf dem Friedhof Abschied nehmen können, um wilden Fantasien und Spekulationen vorzubeugen. Splitter: »Der Tod in Gestalt des Toten wird somit anschaulich und begreiflich.«
Da Kinder auch an Tod und Sterben zunächst ganz pragmatisch heran gingen und ein ganz sachlich bestimmtes Interesse an den äußeren Vorgängen hätten, rät der Pfarrer auf entsprechende Fragen genauso sachlich zu reagieren. Auf Gesprächsangebote des Kindes sei stets positiv und zeitnah einzugehen. Seine Thesen können auch bei anderen Verlusterfahrungen im frühen Kindesalter, zum Beispiel beim Umzug der Familie oder Trennung der Eltern, Anwendung finden.
»Trauer ist ein lebensnotwendiger Selbstheilungsprozess der verletzten Seele«, bringt es Hartmut Splitter auf den Punkt. Um Komplikationen zu vermeiden, warnt er davor, Reaktionen und Gefühle nachhaltig zu unterdrücken. Sein Tipp: »Bieten Sie dem Kind konstruktive Möglichkeiten des Gefühlsausdrucks, wie beispielsweise Malen, Basteln, Musizieren oder sportliche Betätigungen, an.« Es sei auch nichts schlimmes dabei, wenn das Kind einen Sarg male oder bastele. Kinder würden das Thema Tod nicht einfach verdrängen und gingen damit anders um als wir Erwachsene.
Er warnt davor, im Angesicht des Todes plötzlich religiös zu reden, wenn vorher die Religion im Alltag keine Rolle gespielt hat. Und wenn der Glaube zur Sprache gebracht werde, so der Geistliche, »dann nicht so, dass es als frommes Wissen erscheint, obwohl es da gar nichts zu wissen gibt«. Kindern müsse Mut gemacht werden, trotz des Verlust weiter Vertrauen in das Leben zu haben.

Artikel vom 30.03.2007