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Bunte Mischung mit Bedacht

Radikaler Personalschnitt: Bundestrainer Löw rechtfertigt Entscheidung

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Duisburg (WB). Beim ersten Länderspiel in Duisburg sollte vor 97 Jahren die deutsche Mannschaft gegen Belgien antreten. Weil es ein paar Probleme gab, waren auf einmal nicht genug Männer zur Stelle.

Der Zufall wollte, dass vier Kicker des gastgebenden Meidericher SV unter den Zuschauern weilten. Schnell zogen sie sich ein Trikot über. Die notdürftig zusammengewürfelte Elf verlor damals, 1910, mit 0:3. Am 28. März 2007 unterlag die DFB-Auswahl 0:1 gegen Dänemark, und sie musste nicht mit Notnägeln vom örtlichen Zweitligisten zusammen geklopft werden. Eine komplette Truppe haben die Deutschen schon zusammen bekommen, doch wenn es auf dem Fußballplatz auch Flickwerk geben kann, dann war dies wohl das beste Beispiel dafür.
Bundestrainer Joachim Löw hatte die bunte Mischung mit Bedacht gewählt. Schonung für die bewährten WM-Kräfte, eine Chance für alle, die dahinter kommen: So erlebten die 31 500 am Ende mürrischen Zuschauer in der MSV-Arena einen zwiespältigen Abend. Ein »richtiges« Länderspiel ist es schon gewesen, nur eines, das radikal aus dem Rahmen fiel. »Man kann nicht immer propagieren, dass wir den Nachwuchs fördern und dann enttäuscht sein über dieses Spiel«, nörgelte Löw und rechtfertigte seine außergewöhnliche Aufstellung: »Es war eine klare Entscheidung. Dazu stehe ich absolut.« Der Bundestrainer riskierte dafür den Konflikt mit unzufriedenen Fans. »Ich habe die Pfiffe zum Schluss auch gehört. Ich verstehe das nicht, dafür gibt es keinen Grund.«
Löw bat mit Robert Enke, Simon Rolfes und Roberto Hilbert drei Profis vor der Pause zum Premierenball. In der zweiten Halbzeit erhöhte er das Kontingent der Neulinge mit Stefan Kießling, Gonzalo Castro und Patrick Helmes auf sechs. Debütanten-Rekord. Nur Marcell Jansen und Thomas Hitzlsperger hatten dem WM-Aufgebot angehört, und eine Zahl mag besonders belegen, um welche Sorte Spiel es sich dieses Mal handelte. Bei den Dänen verzeichnete Kapitän Jon Dahl Tomasson vor dem Anpfiff mit 87 Einsätzen genauso viele Länderspiele wie die DFB-Startelf zusammen. Wiederholen wird sich das Experiment in dieser krassen Variante nicht, ein wenig überkam den Fußball-Bund auch das schlechte Gewissen. Wer ihm bis zum 5. April seine Duisburger Eintrittskarte schickt, bekommt ein Ticket für ein Heimspiel in der EM-Qualifikation angeboten.
Auch um die Verstimmung des dänischen Trainers Morten Olsen kümmerte sich der Gastgeber. Team-Manager Oliver Bierhoff hatte angerufen und ihm verdeutlicht, unter welchen Voraussetzungen die Begegnung beim DFB schon immer gesehen wurde. Tatsächlich war dies zu einem Zeitpunkt bekannt gegeben worden, als der Gegner noch nicht fest stand. Die Dänen hatten vom eigenwilligen Personalplan der Deutschen erst am Wochenende erfahren. Absicht? »Nicht direkt«, wandte Löw ein, »wir sind aber nicht dazu da, mit unserer Aufstellung den gegnerischen Trainer zufrieden zu stellen. Wir hatten auch nicht vor, ihm mitzuteilen, wie wir spielen und mit wem.«
So etwas macht man nicht im Fußball. Den Sieg trugen schließlich nach einem Treffer von Nicklas Bendtner (81.) verdient die Gäste davon. Löw verlor nach sieben Siegen und einem Unentschieden erstmals als Cheftrainer, es störte ihn nicht: »Die Serie ist zweitrangig.« Ihr Ende betrachtete er nur als leicht zu verschmerzendes Opfer der Entwicklungsarbeit, als die Löw seinen Job eben auch versteht. Besonders in Duisburg.

Artikel vom 30.03.2007