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Steinmeier weist im Fall Kurnaz jede Schuld von sich

Ex-Innenminister Schily übernimmt »die politische Verantwortung«

Berlin (ddp/dpa). Im Fall des langjährigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) jede Schuld von sich gewiesen. Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) übernahm dagegen vor dem BND-Untersuchungsausschuss gestern die politische Verantwortung und entlastete seinen Parteifreund.
Steinmeier hat die im Herbst 2002 verhängte Einreisesperre gegen den damals in Guantánamo internierten Murat Kurnaz verteidigt. Es habe Anlass dafür gegeben, dass der in Bremen geborene Türke ein »Gefährder« gewesen sei. Mit Blick auf die Sicherheit der Menschen sei es darum zumutbar gewesen, dass Kurnaz bei einer etwaigen Freilassung nicht nach Deutschland, sondern in die Türkei ausreisen sollte, sagte der frühere Kanzleramtschef gestern im BND-Untersuchungsausschuss. »Ich kann darin keine unvertretbare Härte erkennen.«
Der Minister sagte, die zahlreichen Vorwürfe gegen die damalige rot-grüne Bundesregierung und auch gegen seine Person seien auch durch die Arbeit des Ausschusses nicht untermauert worden. Es sei damals darum gegangen, in »schwierigen Zeiten einen Kompass zu bewahren«. Dabei habe immer gegolten, die größtmögliche Sicherheit zu gewähren und die Regeln des Rechtsstaates zu beachten. Das sei auch im Fall Kurnaz geschehen. Steinmeier begründete in seiner Eingangserklärung, bis Anfang 2006 habe es weder ein formelles noch ein informelles Angebot der USA zur Freilassung von Kurnaz gegeben.
Mit Blick auf die damals von den Sicherheitsdiensten getroffene Einschätzung von Kurnaz als Gefährder sei »gelassenes Abwarten keine verantwortungsvolle Haltung« gewesen, sagte Steinmeier. Das damalige Verhalten der Bundesregierung im Fall Kurnaz halte er auch heute nicht nur für vertretbar, sondern für geboten.
Otto Schily hatte zuvor im Ausschuss für den Fall des langjährigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz »die politische Verantwortung« übernommen. Schily sagte, selbstverständlich trage er diese Verantwortung für alle Handlungen und Unterlassungen des Ministeriums in seiner Amtszeit. Es bestehe auch kein Zweifel, dass das Innenministerium die »Kernverantwortung für die Bewertung von Sicherheitsgefahren« habe. »Das nehme ich auf meine Kappe«, sagte der 74-Jährige, der 2005 aus der Regierung ausschied.
2002 hätten sich das Bundeskanzleramt unter Leitung des heutigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und das Auswärtige Amt auf »die sachgerechte und sorgfältige Analyse« durch das Bundesinnenministerium und die Geheimdienste verlassen müssen. Diese Feststellung falle ihm leicht, weil sich das Innenministerium »völlig korrekt« verhalten habe. Kurnaz möge »irregeleitet« worden sein, »harmlos war er nicht«, sagte Schily. Es gebe nicht die »geringste Veranlassung«, die Bewertungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes in Zweifel zu ziehen.
Der in Bremen geborene Türke Kurnaz war Ende 2001 in Pakistan unter Terrorverdacht festgenommen und Anfang 2002 über Afghanistan in das US-Gefangenenlager auf Kuba gebracht worden. Eine Straftat wurde ihm nie nachgewiesen. Die US-Justiz stufte seine Haft 2005 als illegal ein. Im Sommer 2006 kam Kurnaz durch die Bemühungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) frei.
Schily sagte, er könne sich an Einzelheiten des Falls nicht erinnern. Sein damaliger Staatssekretär habe ihm aber 2002 »wahrscheinlich gesprächsweise« und »ergebnisweise« davon berichtet. Er sei stolz auf die damalige Arbeit der Sicherheitsbehörden. Sein Anliegen sei gewesen, Personen von Deutschland fern zu halten, die eine Gefahr darstellten, sagte Schily. Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt sei damals festgelegt worden, Kurnaz auf Grund der Gefährdungseinschätzung nicht nach Deutschland zurückkehren zu lassen, sondern sich für seine Freilassung in die Türkei einzusetzen. Zugleich sagte Schily, ein Angebot der USA, Kurnaz 2002 freizulassen, sei ihm nicht bekannt.
Der UN-Sonderberichterstatter zum Thema Folter, Manfred Nowak, forderte Deutschland auf, Kurnaz Schmerzensgeld zu zahlen. Er zog einen Vergleich zu einem Fall in Kanada: Dem unschuldig nach Syrien verschleppten und dort unter Folter gefangen gehaltenen syrisch-stämmigen Kanadier Maher Arar habe Kanada 10,5 Millionen kanadische Dollar als Schmerzensgeld gezahlt.

Artikel vom 30.03.2007