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»Schülern mehr
Lernzeit bieten«

Barbara Terbeck zur Hauptschul-Zukunft

Von Oliver Horst (Text und Foto)
Versmold (WB). Erst die Pisa-Studien, jetzt der Bericht des UN-Sonderbeauftragten zum deutschen Bildungssystem: Insbesondere die Hauptschulen stehen in der Diskussion. Manche Experten fordern deren Abschaffung, einige Bundesländer haben das System mit Gymnasium, Real- und Hauptschule bereits aufgegeben. Für Barbara Terbeck, Leiterin der Versmolder Hauptschule, ist ein Schulverbund vorstellbar -Êunter bestimmten Bedingungen.

Eine politische Debatte über die Zukunft der NRW-Hauptschulen hält Barbara Terbeck für wahrscheinlich: Die »offene Wunde« klaffe nach dem UN-Bericht. »Zudem sind die Probleme in anderen Regionen in NRW viel größer als bei uns. Wir in Versmold könnten sicherlich noch mehrere Jahre mit den bestehenden Schulstrukturen solide arbeiten.« Aus Sicht der Schulleiterin kann es aber durchaus Sinn machen, die Diskussion zu führen und zu Veränderungen bereit zu sein. »Unabhängig davon, ob die Hauptschule erhalten bleibt oder ein neues System geschaffen wird, besteht Verbesserungsbedarf. Wir brauchen mehr Lern- und Lehrerzeit, damit die Schüler mit ihrem individuellen Lerntempo einen bestimmten Wissensstand erreichen.«
Viel mehr Zeit für die Schüler werde allein eine neue Schulstruktur nicht bringen. Deshalb wünscht sich Barbara Terbeck -Êob in bestehender Form als Hauptschule oder in einem möglichen Verbund mit der Realschule -Êeine Ausweitung der Schulzeiten. »Ein verpflichtender Ganztagsunterricht, zumindest für einzelne Lerngruppen, wäre wünschenswert. Dazu muss auch ein Sinneswandel einsetzen, müssen Eltern und Schüler mehr Lernzeit als Chance begreifen statt als Strafe.« Einen Anfang habe ihre Schule mit dem im Herbst eingeführten Bildungsangebot gemacht, das derzeit 45 der 437 Hauptschüler freiwillig nutzen. »Die Lernzuwächse und das gestiegene Selbstvertrauen sind bei vielen Schülern deutlich erkennbar.«
Eine enge Zusammenarbeit mit der Realschule in einem Verbund kann sich Barbara Terbeck für die Zukunft vorstellen. »Beide Seiten könnten davon profitieren.« Aber auch so sei die Situation der Versmolder Hauptschule vergleichsweise gut. »Das hat auch mit dem Umfeld hier zu tun, in dem nicht nur Kopf-, sondern auch Handarbeiter gefragt sind und gebraucht werden. Etwa die Hälfte unserer Schüler gehen nach dem Abschluss in eine betriebliche Ausbildung.« Auch gebe es bei den Versmolder Hauptschülern keineswegs so große Erziehungsdefizite wie dies andernorts offenbar der Fall sei.
Noch sind Schulzusammenschlüsse Zukunftsmusik. Doch die politische Diskussion und auch die demographische Entwicklung könnten das alsbald ändern. Die konkreten Hoffnungen Terbecks für eine Verbesserung der Situation ruhen derzeit darauf, in diesem Jahr den Zuschlag zur Einrichtung einer Ganztagshauptschule zu erhalten. »Doch ich fürchte, so seltsam das klingt, dass wir dafür nicht problematisch genug sind.« Deshalb konzentriert sich Barbara Terbeck auf den weiteren Ausbau des offenen Bildungsangebotes. Doch auch der ist schwierig: »Es fehlt uns noch immer an Personal für eine vierte Gruppe. Als Qualifikation wird solides Grundwissen vorausgesetzt und die Bereitschaft, sich mit Jugendlichen, die von sich aus kommen und lernen wollen, zu beschäftigen.«

Artikel vom 28.03.2007