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Trainer mit Fleisch und Speck bezahlt

Hörster blicken zurück auf 75 Jahre Turngemeinde - »Rot-Weiße Nacht« beim Volksfest

Von Klaus-Peter Schillig
Halle-Hörste (WB). Als am 9. Juni 1932 in der Gaststätte Schröder 34 sportbegeisterte Hörster zusammen saßen und die Turngemeinde (TG) Hörste aus der Taufe hoben, lagen Artur Wiltmann, Herbert Günner und Fritz Möller wohl schon in den Federn. Schließlich waren sie erst acht und zehn Jahre alt. Heute, 75 Jahre später, wissen sie dennoch viel zu erzählen aus der Gründerzeit eines der größten heimischen Sportvereine.

»Wir brauchten uns damals nicht warm zu machen«, schmunzelt Fritz Möller, wenn er an die heutigen Rituale der Sportler vor Spielen oder Wettkämpfen denkt. Der 83-Jährige, der zusammen mit Artur Wiltmann die Schulbank gedrückt hat, wurde, wie viele Altersgenossen, schon gleich im ersten Jahr des Vereinsbestehens für das Kinderturnen angemeldet. Im Sommer brachte Vorturner Fritz Ebert seinen Schützlingen die Übungen auf einem Stück Rasen bei, im Winter ging es in Vögedings Scheune - auf unebenem Lehmboden, erinnert sich Artur Wiltmann, der bis 1991 26 Jahre lang Vorsitzender war.
Warm machen mussten sich die Handballer der TG in den 30er Jahren vor allem deshalb nicht, weil sie sich vorher warm arbeiten mussten. Zu den Auswärtsspielen wurde grundsätzlich mit dem Fahrrad gefahren, erzählt Herbert Günner (85), langjähriger zweiter Vorsitzender - und das bis nach Lage oder Lemgo. »Dabei hatte noch nicht einmal jeder ein Fahrrad«, blickt er zurück in die eigene Jugendzeit. »Wenn es nur bis Versmold ging, haben sich schon mal zwei Leute ein Fahrrad geteilt: einer fuhr, der andere lief am Gepäckträger nebenher. Nach ein paar Kilometern wurde dann gewechselt.« Die Beförderung zu den Auswärtsspielen wurde erst nach dem Krieg motorisiert, aber kaum komfortabler. Als Transportmittel musste Potthoffs Schweinetransporter herhalten.
Warm machen war auch vor den Heimspielen nicht nötig. Während die gegnerische Mannschaft noch ihrerseits auf den Fahrrädern schwitzte, mussten die Gastgeber die Kuhwiese hinter Artur Wiltmanns Elternhaus in ein Spielfeld verwandeln. Die einen trieben die Kühe 'runter, andere mussten den Platz abkreiden oder als »Fladenräumkommando« die Hinterlassenschaften der Viecher wegräumen. Natürlich hatte der Platz so seine Tücken, die den Hörstern oftmals zum Vorteil gereichten. Der oft matschige Untergrund saugte regelrecht die Bälle auf, lacht Herbert Günner noch heute, wodurch man dem gegnerischen Spieler beim Prellen listig das Leder abluchsen konnte.
Obwohl die TG Hörste noch nie für einen Spieler Geld bezahlt hat, einen teuren Trainer haben sich die Feldhandballer nach dem Krieg doch einmal geleistet. Nationalspieler Hermann Will vom RSV Mühlheim kam alle sechs Wochen zu einem Sondertraining nach Hörste, brachte den Rothosen Wurftechnik und Spielzüge im Angriff bei. Als Honorar nahm er Kartoffeln, Fleisch, Wurst und Speck mit nach Hause. Übrigens gehörten damals nicht nur die Hörster Herren zu den stärksten Teams der Region, auch die Damen brachten es bis in die Endrunde der Bezirks-Meisterschaft.
Erst Ende der sechziger Jahre haben Artur Wiltmann und Herbert Günner die Handballschuhe an den Nagel gehängt: »Für uns alten Böcke war die Umstellung auf den Hallenhandball nichts mehr.«
Auf dem Feld wurde dennoch weitergespielt, was die Vielfalt und die Dynamik des Vereins unterstreicht. 1971 wurde mit vereinten Kräften der Sportplatz samt Umkleidegebäude gebaut, 1973 gründete sich die Fußball-Abteilung, 1984 die Tennisabteilung. Und die Mitgliederentwicklung ging nach dem Krieg, als knapp 60 Mitglieder den Betrieb wieder aufnahmen, steil bergauf. 1100 Hörster gehören heute zur TG. Viele halten dem Verein die Treue, auch wenn sie längst nicht mehr in Hörste wohnen. Und wer nur in einen der Nachbarorte umgezogen ist, schickt seine Kinder weiter zum Turnen nach Hörste, freut sich zweite Vorsitzende Elke Herkströter.
Natürlich wird das 75-Jährige noch gebührend gefeiert. Im Rahmen des Volksfestes gibt es am 18. August eine Rot-Weiße Nacht, Handball- und Fußball-Turniere sowie ein Spielfest für Kinder sind geplant. Und Vorsitzender Karl-Heinz Wöstmann hofft, dass sein größter Wunsch noch einmal auf die Tagesordnung kommt: eine eigene Sporthalle für Hörste.

Artikel vom 28.03.2007