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Prediger muss nicht ausreisen

Bundesrepublik verliert Prozess gegen angeblich gefährlichen Asylanten

Von Christian Althoff
Minden (WB). Die Bundesrepublik ist gestern vor dem Verwaltungsgericht Minden mit ihrem Versuch gescheitert, dem ägyptischen Prediger Usamma A. (40) die Asylberechtigung abzuerkennen.
Der Fall Usamma A.: »Viel Papier, aber keine belastenden Fakten«, stellte das Gericht fest.

Usamma A. lebt mit seiner Frau und sechs Kindern in Porta Westfalica. Er hatte zuletzt Schlagzeilen gemacht, weil die Sicherheitsbehörden ihn während der Fußball-WM rund um die Uhr observiert hatten - »aus Angst vor Terroranschlägen«, wie es hieß.
Der Ägypter war 1996 nach Deutschland gekommen. Nachdem das Bundesamt für Flüchtlinge seinen Asylantrag damals abgelehnt hatte, war der Prediger vors Verwaltungsgericht Oldenburg gezogen. Dieses hatte Usamma A. 1999 als politisch verfolgten Flüchtling anerkannt. Damit war Usamma A. asylberechtigt. Er zog mit seiner Familie nach Westfalen und predigte in Münster und Minden in Moscheen.
Nach einer anonymen Anzeige hatte die Generalbundesanwaltschaft 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen den Ägypter eingeleitet. Dieses wurde 2005 eingestellt, weil sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben hatten.
Allerdings waren bei einer Hausdurchsuchung hunderte von Tonbandkassetten mit Predigten sichergestellt worden, die der Ägypter seit 1997 gehalten hatte. Bei einigen ergab sich der Verdacht der Volksverhetzung. Doch auch dafür fehlten letztlich die Beweise, so dass das Amtsgericht Minden das entsprechende Verfahren im vergangenen Jahr einstellen musste. Dennoch hatte das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Flüchtlinge im April 2006 die Anerkennung als Asylbewerber widerrufen - mit dem Ziel, den Ägypter und seine Familie abzuschieben. Das Amt begründete seinen Schritt mit der Annahme, Usamma A. habe Hasspredigten gehalten, sei Mitglied einer terroristischen Vereinigung und kenne Menschen, die wiederum Kontakte zu Attentätern vom 11. September 2001 gehabt hätten. »Diese Annahmen sind nicht bewiesen«, erklärte gestern Hartmut Weiß, der Vorsitzende Richter der zehnten Kammer. In den hunderten von Aktenblättern, die der Fall Usamma A. inzwischen fülle, fänden sich viele Spekulationen und Mutmaßungen, aber wenig Konkretes. »Sie haben nicht viel in der Hand!«, sagte der Richter zum Vertreter des Bundesamtes.
Doch nicht der Mangel an Fakten führte gestern zu dem für Usamma A. günstigen Urteil, sondern ein formaler Aspekt. Der Vorsitzende Richter: »Das Bundesamt darf eine Asylberechtigung widerrufen, wenn neue Tatsachen vorliegen. Wenn wir unterstellen, dass Usamma A. tatsächlich Hassprediger und Mitglied in einer Terrorgruppe ist, dann war er das mit Sicherheit auch schon vor seiner Anerkennung als Asylbewerber 1999. Und damit gibt es eben keine neuen Tatsachen, die jetzt seinen Widerruf der Asylberechtigung erlauben würden.« Az.: 10 K 1613/06.A

Artikel vom 28.03.2007