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Ungutes Klima belastet Verkaufsverhandlungen

Kirchenkreis übt scharfe Kritik an der Bürgerinitiative zum Erhalt des Gotteshauses


Bielefeld (WB/mzh). Gemeinde, Kreissynode und Kirchenkreis haben gestern scharfe Kritik an der Bürgerinitiative geübt, die die Paul-Gerhardt-Kirche als Gottesdienststätte erhalten will. Superintendentin Regine Burg äußerte, im Zusammenhang mit dem Verkauf an die Jüdische Kultusgemeinde bei einzelnen Mitgliedern der Organisation antisemitische Untertöne herausgehört zu haben. Diese Vorwürfe hatte die Bürgerinitiative, wie das WESTFALEN-BLATT berichtete, mehrfach zurückgewiesen.
Pfarrer Alfred Menzel sagte, man habe ihm und der Superintendentin angedroht, sie würden nicht im Amt überleben, sollten sie die Verkaufspläne weiter verfolgen. »Hermann Geller, der ehemalige Kirchmeister von Paul-Gerhardt und jetzt einer unserer schärfsten Kritiker, hat bei der Fusion im Mai 2005 erklärt: Wenn ein Käufer kommt, verkaufen wir. Kein Wunder, dass die jüdische Gemeinde - sehr zu unserer Freude - Interesse zeigte.«
»Es verletzt mich, wenn man der Mariengemeinde vorwirft, sie habe die Paul-Gerhardt-Gemeinde Ýfeindlich übernommenÜ«, sagte der Neustädter Kirchmeister Rolf Kriete. »Es waren doch das Presbyterium von Paul-Gerhardt, das die Fusion anstrebte und sich für uns entschied.«
»Wer sich auf die Kirchenordnung beruft, sollte sie selbst befolgen«, meinte Dr. Arne Kupke, Rechtsdezernent der Landeskirche. Sorgfältig unterschied der Jurist zwischen den beiden Streitfällen Fusion und Verkauf. »Das Presbyterium als demokratisch gewähltes Leitungsgremium war ohne Wenn und Aber befugt, die Fusion zu beschließen - und dies hat das Kirchengericht gebilligt. Wenn jetzt der Kampf gegen den Verkauf - gegen die natürlich Folge der Fusion also - erneut bis in letzte Instanz ausgefochten werden soll, verletzt dies die kirchliche Grundordnung, demokratisch getroffene Entscheidungen hinzunehmen.«
Insbesondere sei die Berufung auf Artikel 170 der Kirchenordnung hinfällig, demzufolge regelmäßige Gottesdienste dort stattfinden sollten, wo ein Gebäude zur Gottesdienststätte gewidmet wurde: »Denn der Beschluss, die Kirche zu verkaufen, bedeutet eben unmissverständlich ihr Ende als Gottesdienststätte.«
Horst Haase vom Synodalvorstand bedauerte, dass sich die Gegenseite zu »Lügen und Verdrehungen, zu Drohungen und persönlichen Diffamierungen« habe hinreißen lassen. Und Martin Uffmann vom Bevollmächtigtenausschuss (erst nach der Wahl darf dieses Gremium den Namen Presbyterium führen) erklärte, die Bürgerinitiative arbeite in Finanzierungsfragen mit falschen Zahlen: »Wir sind es, die die Fakten kennen und die authentischen Zahlen haben.«
Trotz der als Rechtsbruch eingestuften Kirchenbesetzung will man nicht die Polizei rufen, sondern den eingeschlagenen Weg weitergehen. »Wer jedem Protest nachgibt, zerstört die Kirche und hinterlässt einen Scherbenhaufen«, sagte der landeskirchliche Theologiedezernent Dr. Rainer Dinger. »Die Kirche gleicht einer Familie: Wenn in der Wohnung ein Kind schreit, geht die Familie davon nicht gleich kaputt. Oder anders formuliert: In einer Familie streitet man sich nicht, damit man sich wieder gut versteht, sondern weil man sich gut versteht.«

Artikel vom 26.03.2007