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Trauer um erfahrene Pilotin

Rätselraten um Segelflug-Unglück geht weiter - Experten vor Ort

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh/Bielefeld (WB). Auch einen Tag nach dem furchtbaren Segelflug-Unglück von Oerlinghausen, bei dem die 45-jährige Gütersloher Software-Unternehmerin Dr. Karin Kortemeier ums Leben kam, geht das Rätselraten um die Ursache weiter. War ihr Landeanflug zu langsam? Riss die Strömung ab? Hat sie vielleicht Windböen falsch eingeschätzt?

Fragen, die zurzeit (noch) nicht beantwortet werden können. Seit Sonntag sind zwei Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) aus Braunschweig auf dem Oerlinghausener Segel-flughafen, um die zertrümmerte Maschine, die in einem vor der Öffentlichkeit verschlossenen Hangar steht, zu untersuchen. Die beiden Fachleute gehen jeder Spur und jedem Hinweis akribisch nach. »In erster Linie werden die Schäden am Flugzeug genauestens untersucht. Gab es technische Mängel? Nur so kann man eventuell auch den Todesflug rekonstruieren«, erklärt BFU-Untersuchungsführer Frank Stahlkopf den Einsatz vor Ort. Er rechne allerdings nicht vor Ende dieser Woche mit ersten Ergebnissen. »Ich habe hier in Braunschweig noch keine einzige Akte oder einen Untersuchungsbericht auf dem Tisch liegen. Ich kann also auch nicht über den Stand der Dinge berichten.«
Der Wind hat am Sonntag quer zur Landebahn gestanden. Rings herum ist dichter Wald. »Dadurch können Wirbel entstehen, die beim Anflug zu einem Strömungsabriss führen können«, sagt der erfahrene Flieger und Geschäftsführer des Flugvereins Gütersloh, Engelbert Westerwalbesloh (64), der Dr. Karin Kortemeier recht gut kannte. Dem schließt sich auch Georg Hemkendreis (57), der Geschäftsführer der Flugplatzgemeinschaft Oerlinghausen (FGÖ), an. »Etwas ist in der Luft passiert. Technische Fehler an der Maschine können wir wahrscheinlich ausschließen. Wäre das Segelflugzeug 1000 Meter hoch gewesen, hätte die Pilotin ihren Gleiter sicherlich stabilisieren können. Die Höhe von 100 Meter hat wohl nicht mehr ausgereicht. Und so ist sie einfach ins Trudeln geraten«, sagt Hemkendreis im Gespräch mit dieser Zeitung. »Alles andere sind Spekulationen.« Westerwalbesloh und Hemkendreis waren auch gestern noch sichtlich bewegt. Beide sind sich einig: Dr. Karin Kortemeier sei eine erfahrene Fluglehrerin gewesen, die sich auf Experimente oder Leichtsinn niemals eingelassen habe.
Ihr Segelflieger vom Typ ASW 28 (18 Meter Spannweiter, Wert rund 100 000 Euro) gehört zu den modernsten Maschinen, die der Segelflugsport zu bieten hat. Eine Besonderheit an diesem Flugzeug sind die verschiedenen, zum Teil auch gemischt verwendeten Faser-Kunststoff-Verbunde wie Glasfaser-, Kohlenstofffaser-, Polyerhylenfaser- und Aramidfaserverbunde. Dies erlaubt ein niedriges Leergewicht und eine hohe Variabilität der Flächenbelastung. Der Segelflieger war außerdem mit einem Hilfsmotor als »Heimkehrerhilfe« ausgerüstet.
An der Absturzstelle, direkt an einem kleinen Baggersee zwischen herrlichen Birken, hat jemand ein Kreuz aus Baum-Ästen aufgestellt. Ein letzter Gruß und ein Gedenken an Karin Kortemeier, die einen Ehemann und drei kleine Kinder hinterlässt. »Die Trauer unter den Fliegern hier ist sehr groß«, gesteht Georg Hemkendreis. Und er fügt hinzu: »Es gibt nichts ohne ein gewisses Risiko und das bei Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen. Wir können immer wieder nur üben und die Piloten sorgfältig ausbilden. Doch gerade beim Fliegen kommen manchmal Dinge zusammen, die zu einer Katastrophe führen.«

Artikel vom 27.03.2007