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Kirche in Bielefeld besetzt

Widerstand gegen geplanten Verkauf an Jüdische Kultusgemeinde

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Eine Bürgerinitiative hat gestern die Bielefelder Paul-Gerhardt-Kirche besetzt. Die Aktion, bundesweit ohne Parallele, ist ein Protest gegen den geplanten Verkauf und die Umwidmung der Kirche in eine jüdische Synagoge.
Schwarze Fahnen, schwarze Transparente: Protestierer halten die Kirche besetzt. Foto: Büscher

Regine Burg, Superintendentin des Kirchenkreises Bielefeld, hielt gestern den letzten Gottesdienst in der Kirche. Am Eingang protestierten die etwa 80 Mitglieder der Bürgerinitiative, die den Bau als Gottesdienststätte erhalten wollen. Als das Orgelspiel verklungen war, blieben der Vorsitzende Richter am Landgericht Claus-Rudolf Grünhoff und der ehemalige Kirchmeister Hermann E. Geller im Kirchenschiff.
»Wir werden die Besetzung erst beenden, wenn der Beschluss, die Paul-Gerhardt-Kirche als Gottesdienststätte aufzugeben, zurückgenommen wurde«, sagte Grünhoff. Das Gebäude soll 24 Stunden am Tag besetzt bleiben.
Der Kreissynodalvorstand will auf Polizeieinsätze verzichten. »Wir setzen darauf, dass die Einsicht in schmerzende Notwendigkeiten stärker ist als die Wut«, erklärte Horst Haase vom Synodalvorstand.
Die Paul-Gerhardt-Gemeinde hatte im Mai 2005 mit der benachbarten Neustädter Mariengemeinde fusioniert. Kurz darauf zeigte sich Bielefelds Jüdische Kultusgemeinde erstmals am Kauf des evangelischen Kirchengebäudes interessiert - nach Ansicht der Superintendentin könnte der Vertrag noch in diesem Jahr unterschriftsreif sein.
Präses Alfred Buß unterstützt das Vorhaben. Hintergrund ist ein Synodalbeschluss von 2005 über einen Zusatz in der Kirchenordnung: In einem Grundartikel betont die Evangelische Kirche ihre enge Verbundenheit mit dem Volk Israel. »Die künftige Nutzung der Kirche als Synagoge greift diese Idee von der im Judentum wurzelnden christlichen Religion auf«, sagte Andreas Duderstedt, Pressesprecher des Landeskirchenamtes, gestern dem WESTFALEN-BLATT.
In Westfalen wurden bislang 20 Kirchen und 45 Predigtstätten geschlossen, die meisten davon seit Anfang der 90er Jahre. Dieser Schrumpfungsprozess werde weiter anhalten, glaubt Duderstedt. Er verweist darauf, dass die westfälische Kirche 1948 etwa genauso viele Mitglieder hatte wie heute (2,6 Millionen), damals aber nur über halb so viele Kirchengebäude und Gottesdienststätten (gut 1000) verfügte. Seite 2: Leitartikel

Artikel vom 26.03.2007