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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Friedrich-Karl Völkner

Friedrich-Karl Völkner ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Halle.

»Auf, auf . . .«
Da stehe ich morgens auf und habe das Gefühl, irgendwas liegt schwer auf meinen Schultern oder hängt drohend in der Luft. Ich bin belastet, stehe unter Druck. Manchmal erkenne ich, was da konkret hinter steckt, manchmal auch nicht.
Als ich neulich eine Liedstrophe von Paul Gerhardt las, entdeckte ich: Er ist tatsächlich ein »Meister der Lebenskunst«, wie es auf einem Buchtitel heißt, der zu seinem 400. Geburtstag erschienen ist. Was empfiehlt Paul Gerhardt?
»Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht, lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht. Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.«
Ich höre drei Ratschläge der Lebenskunst:
»Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht.« - Ich nehme wahr, was mich da belastet, überlege, wann und wie ich es klären soll und entscheide dann: »Ich will mich jetzt nicht den ganzen Tag unter Druck setzen lassen. Alles zu seiner Zeit.« Ich bringe die Sorgen jetzt ins Bett, spreche noch ein Gebet (»Lieber Gott, nun lass die Sorgen gut schlafen«), sage ihnen »Gute Nacht«, gehe an die Sonne, schüttle mich und überlege, was jetzt zu tun ist - vielleicht erst mal in Ruhe frühstücken. Manchmal muss man Entschlüsse fassen und Schritte gehen, damit man nicht ständig unter Druck bleibt. »Auf, auf . . .«
»Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll.« - Manchmal bedrücken uns die Probleme, weil wir meinen, wir müssten nun eine perfekte Lösung hinkriegen - und wir schaffen es doch nicht. Das nennt man Überforderung. »Du bist nicht Gott« - sagt Paul Gerhardt. Tu deinen Teil - und mehr brauchst du nicht. Mach dich nicht verantwortlich, wo du es nicht bist. Das macht dich nur fertig und bringt niemandem was - macht dich höchstens anstrengend für die Menschen um dich herum.
Und getragen wird die Gelassenheit von dem letzten Satz: »Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.« Der Satz ist nicht immer einleuchtend - manches finden wir überhaupt nicht »wohl getan« - und was tut denn Gott, und was tun wir? Das ist alles nicht so leicht zu unterscheiden. Ich halte es da eher mit dem Apostel Paulus, der sagt: »Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.« Er begleitet mich, ich bin nicht allein, er kann auch aus Scherben noch was Gutes machen, wie man oft im Rückblick sieht - und oft sind die Probleme nicht so dramatisch, wie sie sich geben. Es entsteht ein Vertrauen, ein klarer Kopf - und damit kann man das Leben besser bewältigen, auch das schwere Leben.
Ich weiß, manche Probleme sind wirklich groß und nicht mit einem »Gute Nacht« zu klären. Aber der, der diese Strophe geschrieben hat, hat selber im Dreißigjährigen Krieg viel Leid erlebt; vier Kinder sind gestorben, seine Stelle hat er verloren . . . Er weiß also, wovon er redet. Der Glaube an Gott ist wirklich eine Kraft.
Und Paul Gerhardt hat noch eine Liedstrophe geschrieben, die mit »Auf, auf . . .« beginnt:
»Auf, auf, mein Herz, mit Freuden, nimm wahr, was heut geschieht. Wie kommt nach großem Leiden nun ein so großes Licht?«

Artikel vom 24.03.2007