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Vor Gericht brechen sie in Tränen aus

Rainer Middelstaedt hilft Opfern von Verbrechen - Noch bis April für »Weissen« Ring tätig

Von Klaus-Peter Schillig
Altkreis Halle (WB). Mehr als 400 Menschen hat Rainer Middelstaedt in den vergangenen Jahren geholfen. Menschen in echten Notlagen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind. Der Haller leitet seit 1991 die Außenstelle Gütersloh der Opferschutzorganisation »Weisser Ring«. Noch bis April. Dann hört er auf.

Der junge Mann aus Nigeria ist nur knapp mit dem Leben davongekommen. »Ein echt armes Schwein«, sagt Rainer Middelstaedt über den Mann, der im vergangenen Dezember in einem Rheda-Wiedenbrücker Fleischwarenbetrieb von einem türkischen Kollegen niedergestochen worden ist. Zu allem Unglück ist das Beinahe-Mordopfer auch noch in scharfe Reinigungsmittel gestürzt und hat sich starke Verätzungen an den Beinen zugezogen, die bis heute nicht verheilt sind. Der Helfer vom »Weissen Ring« kämpft für den Mann aus Afrika gleich an mehreren Fronten: Er will ihm zu einer Reha verhelfen, hat ihm die Rechtsanwältin Gabriele Martens für die Nebenklage vermittelt und wird ihn wohl selbst auch begleiten, wenn Ende April der Prozess vor dem Landgericht Bielefeld beginnt.
Die überfallene Verkäuferin eines Drogeriemarktes aus Harsewinkel gehörte ebenso zu den Hilfesuchenden bei Rainer Middelstaedt wie der aus der Karibik stammende ehemalige britische Soldat, der in einer Diskothek übel zusammengeschlagen worden ist. Fast sechs Jahre zieht sich dieser Fall nun schon hin, durch mehrere Instanzen. Der Haller steht dem Opfer seitdem bei, hat bei der Suche nach einer Arbeitsstelle geholfen und auch bei der Klage vor dem Sozialgericht, um wenigstens eine kleine Opferrente zu erstreiten.
Opfer haben es schwer in Deutschland, beklagt Middelstaedt. Vor allem vergewaltigte Frauen müssen ihr Martyrium vor Gericht noch einmal erleben, müssen sich provozierende Fragen vom Anwalt ihres Peinigers gefallen lassen - und brechen dabei nicht selten in Tränen aus. Lange Leiden durchleben aber nicht nur die Opfer von Kapitalverbrechen. Der 71-jährige hat in seinen 16 Jahren beim »Weissen Ring« auch Menschen betreut, bei denen eingebrochen wurde oder denen auf offener Straße ihre Tasche mit Geld und Dokumenten gestohlen worden ist.
Der »Weisse Ring« hilft dabei nicht nur mit Rat und Tat, sondern verfügt auch über die nötigen Geldmittel, um finanzielle Notlagen lindern zu können. Rainer Middelstaedt hat seit 1991 in 289 Fällen insgesamt 150 000 Euro ausgezahlt, davon rund 82000 Euro als Opferhilfe, 35 750 als Rechtshilfe. Er kann zudem Beratungsschecks ausstellen, damit bedürftige Kriminalitäts-Opfer eine erste Beratung beim Anwalt oder eine erste psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen können, kann geringe Soforthilfen und sogar Ferienhilfen gewähren.
»Das letzte Jahr war ruhig«, verweist der frühere Berufsschullehrer auf seine aktuellen Zahlen aus 2006. 15 Fälle, die finanzielle Hilfe benötigten, sind neu dazugekommen, zusätzlich kümmert sich der Haller weiter um 30 alte Fälle und solche, die »nur« persönliche Hilfe benötigen oder guten Rat oder Trost am Telefon.
Im April übergibt Rainer Middelstaedt die Außenstelle offiziell an seinen Nachfolger Ulrich Deppe, den jetzigen Verwaltungschef der Kreispolizeibehörde. Seine jetzigen Fälle will er aber noch abschließen und seinen Nachfolger beim Einstieg unterstützen.

Artikel vom 22.03.2007