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Eine Gratwanderung ins Kellergeschoss

Zwei der markanten Figuren vom Dach des Sennestadthauses erhalten neue Halterungen

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Sennestadt (WB). Künstler sind nicht zwangsläufig gute Statiker. Das ist mit fortschreitenden Restaurierungsarbeiten am Sennestadthaus deutlich geworden: »Wir sind verdammt froh, dass die Figuren den Sturm ÝKyrillÜ noch überlebt haben«, sagt Metallbau-Unternehmer Manfred Fahl. Es geht um das Kunstwerk »Gratwanderung« - die drei markanten Skulpturen des Berliner Kunstprofessors Hubertus von der Goltz auf dem Dach des Sennestadthauses.
Weg vom Dach, runter in den Keller: Metallbauer Manfred Fahl, Bernhard Neugebauer von der Sennestadt GmbH, Statikerin Anke Breimhorst und Metallbauer Christoph Fabian (von links) bringen eine der drei »Gratwanderung«-Figuren ins Zwischenlager. In vier Wochen soll sie mit neuer Halterung am selben Ort wieder installiert werden.
Bei zwei der drei schwarzen Aluminium-Silhouetten ist die Halterung derart marode, dass sie jetzt erneuert werden muss - bevor ein Unglück geschieht. Dazu verschwinden die Figuren für vier Wochen von der Dachkante und werden im Keller eingelagert. »Es sind Sprödbrüche - Ermüdungserscheinungen im Stahl«, erklärt Statikerin Anke Breimhorst. »Das Material und die Art der Befestigung konnten den Windkräften in 40 Metern Höhe niemals gerecht werden. Die Kunstwerke sind mit Sicherheit nicht von einem Statiker aufgestellt worden.«
Die beiden balancierenden Alu-Menschen vom Ost- und Westflügel des Sennestadthauses haben, zum Glück für Spaziergänger und Passanten, seit ihrer dauerhaften Installation im Frühjahr 1986 niemals das Gleichgewicht verloren. Denn trotz ihrer Leichtbauweise wiegen die mannshohen, etwa einen Zentimeter starken Kameraden 50 bis 60 Kilogramm. Wo auch immer sie aufgeschlagen wären, hätten sie eine ordentliche Schneise hinterlassen.
Damit dieses Horrorszenario für die Zukunft auszuschließen ist, erhalten die Figuren bis Mitte April eine neue Halterung aus Edelstahl. Sie soll, laut Anke Breimhorst, jeder Wetterbelastung gewachsen sein. Sein Einverständnis gab übrigens auch Hubertus von der Goltz (66) selbst. Bernhard Neugebauer, Chef der Sennestadt GmbH, der das Kunstwerk gehört, hatte in dessen Potsdamer Atelier angefragt und um Genehmigung gebeten. »Das Kunstwerk wurde für dieses Gebäude geschaffen«, sagt Neugebauer. »Beides zusammen ist zu einer neuen Einheit geworden. Man kann den Künstler bei einer solchen Aktion nicht außen vor lassen.«
Die dritte der drei »Gratwanderung«-Figuren, die auf einer Stange zwischen den beiden Überbauten der Fahrstuhlschächte balanciert, bleibt von der Maßnahme unberührt. Sie hatte bereits vor zehn Jahren eine neue, elastische Befestigung erhalten.

Artikel vom 20.03.2007