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Bund: weniger neue Schulden

Begehrlichkeiten in den Ministerien - Steinbrück kämpft um Sparkurs

Berlin (dpa/Reuters). Die Bundesregierung stellt sich angesichts des anhaltenden Wirtschaftsbooms und kräftig gestiegener Steuereinnahmen auf deutlich weniger neue Schulden ein als bisher geplant.
Die Nettokreditaufnahme könnte bei anhaltend guter Entwicklung bei 15 Milliarden Euro liegen statt bei den bisher veranschlagten 19,6 Milliarden Euro. Damit bestätigten Regierungskreise in Berlin einen entsprechenden Bericht der »Süddeutschen Zeitung«.
Steuerexperten von Instituten wie Dieter Vesper vom DIW nannten sogar einen Betrag von zwölf Milliarden Euro. Ein Sprecher des Finanzministeriums nannte den Bericht »reine Spekulation«. Mehr Klarheit werde erst die Steuerschätzung im Mai bringen.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte zuvor bereits angedeutet, dass er die Neuverschuldung stärker als bisher geplant auf unter 18 Milliarden Euro drücken werde. Auch das gesamtstaatliche Defizit könnte in diesem Jahr am Ende auf weniger als 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sinken. Ein Rückgang um mehr als 0,5 Prozentpunkte gegenüber der Defizitquote von 1,7 Prozent im vergangenen Jahr sei nicht auszuschließen. Ökonomen halten einen Wert von etwa einem Prozent und darunter sowie eine noch geringere Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr für möglich.
Grund für die positive Sicht sind unter anderem die unerwartet kräftig sprudelnden Steuereinnahmen. Im Februar verbuchten Bund, Länder und Gemeinden gegenüber dem Vorjahresmonat ein Plus von fast 17 Prozent.
Inzwischen rechnet auch die Bundesregierung für dieses Jahr mit einem höheren Wirtschaftswachstum. Statt der bisher unterstellten 1,75 Prozent wird nun von einem Zuwachs um 1,9 bis zwei Prozent ausgegangen. Zahlreiche Wirtschaftsforschungsinstitute sind weit optimistischer.
Koalitionspolitiker warnten jedoch erneut vor zu viel Überschwang sowie vor neuen Ausgabenwünschen der Ministerien in den Etatberatungen für 2008. Bereits aus den offiziellen Anmeldungen fast aller Ministerien, die bis Ende vergangener Woche im Finanzministerium eingegangen sind, summieren sich mehrere Milliarden Mehrausgaben gegenüber der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung des Bundes.
Hinzu kommen noch nicht finanzierte Belastungen wie die Zuschüsse an die gesetzlichen Krankenkassen, höhere Ausgaben für die Entwicklungshilfe oder Unterkunftskosten von Langzeitarbeitslosen. Dank der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt überweist zudem die Bundesagentur für Arbeit voraussichtlich einen geringeren Aussteuerungsbetrag - eine Art Strafzahlung für nach einem Jahr nicht vermittelte Arbeitslose. All diese Risiken summieren sich auf etwa zehn Milliarden Euro bei einer steigenden Tendenz in den Folgejahren.
Vor diesem Hintergrund will sich Steinbrück an diesem Freitag bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sowie Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) Rückendeckung für seinen strikten Sparkurs holen. Haushaltspolitiker der Koalition stützen Steinbrücks Position.
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider erklärte: »Der Bundeshaushalt bleibt trotz zusätzlicher Steuereinnahmen hoch defizitär.« Von möglichen und erhofften Steuermehreinnahmen von netto 13 Milliarden Euro würden nach Abzug der Mehrbelastungen noch drei Milliarden verbleiben. Für 2008 bestehe nach bisheriger Planung eine Finanzierungslücke von 34,2 Milliarden. Diese Lücke könnte sich nun rechnerisch auf etwa 31 Milliarden Euro reduzieren. »Das ist alles.«
Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) sowie sein SPD-Kollege Joachim Poß wiesen auch Forderungen der Freien Demokraten zurück, die Mehreinnahmen an die Bürger zurückzugeben und die Konsum- und Investitionsbereitschaft durch Steuergeschenke anzukurbeln.

Artikel vom 21.03.2007