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Ulrich Wickert »bohrt« nach

53. Zahnärztetag: Fernsehmoderator setzt auf neue Tugenden

Gütersloh (jaf). Von gesunden Zähnen zu gesunden Tugenden: Der frühere »Mister Tagesthemen«, Ulrich Wickert (64), »bohrte« am Samstag während des 53. Zahnärztetages in der Stadthalle beim Thema »Von der Sehnsucht nach verlässlichen Werten« nach. Für die 1500 Zuhörer keine bittere Pille. Im Gegenteil: Die Mediziner lauschten begeistert.

Nicht weiter verwunderlich, dass nach dem einstündigen Vortrag, in dem Wickert mit seinem neuen Buch »Gauner muss man Gauner nennen« auf wichtige Tugenden wie Höflichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit einging und dabei kein Blatt vor den Mund nahm, viele der Zahnärzte dieses Werk unbedingt lesen wollten. Vor dem aufgebauten Bücherstand wurde die Schlange nach dem Vortrag immer länger. Noch länger wurde sie, als Wickert - ganz höflich - 1000 Bücher signierte. »Dieses Thema trifft halt ins Innerste«, kommentierte Tagungspräsident Professor Dr. Detlef Heidemann, der an den drei Tagen des Zahnärztekongresses eine Rekordbeteiligung von mehr als 4000 Teilnehmern verbuchen konnte.
Wie recht er doch hatte: Ohne auf die Uhr zu schauen, verging der meist amüsante Vortrag über ernste Themen wie im Fluge. Und dabei sprach Wickert den Zahnärzten aus der Seele: »Gesellschaftlich vereinbarte Regeln müssen eingehalten werden. Tugenden sollen wieder mehr Gewicht erhalten. Mit Höflichkeit erweist man dem Gegenüber Respekt«, forderte der Hamburger, dass Respekt vor anderen schon in der Familie vermittelt werden müsse. Gesellschaft funktioniere nur, wenn jeder Einzelne sich an Regeln halte.
Für den 64-Jährigen sind diese Werte wichtig, damit Deutschland kein Sanierungsfall bleibt. Und so forderte Ulrich Wickert auch Ehrlichkeit. Ehrlichkeit im Denken. »Und das heißt vor allem: die Dinge offen beim Namen zu nennen. Manchmal muss man den Gauner Gauner nennen, um deutlich zu machen, worauf es wirklich ankommt in unserem Land«, betonte der Kosmopolit, dem Deutschland am Herzen liegt.
Und weil das so ist, beschäftigte sich Wickert auch mit der Frage nach der Identität der Deutschen und mit der Eingliederung von Ausländern. Dabei nannte er die Dinge natürlich beim Namen: »In einem Ehrenmordprozess wurde ein milderes Urteil verhängt. Mit der Begründung: In diesen Kulturkreisen sei das halt so. Dabei ist schon allein der Begriff Ehrenmord falsch. Ehre hat ihre Wurzeln in der Menschenwürde. Mord - das ist eindeutig gegen die Menschenwürde. Wir sind hier in Deutschland, hier ist Mord Mord. Und so sollten die Gerichte auch urteilen«. Hier müssten Regeln eingehalten werden. »Aber wenn schon die Richter das nicht tun ...«, stellte Wickert in den Raum und benannte eines von vielen angeschnittenen Problemen: »Wir wissen oft selbst nicht, welche Regeln wir vermitteln wollen«.
Für Wickert ist klar: Durch eine gewisse Art und Weise des Umgangs könne man viel bewegen. »Von Menschen, die in Deutschland leben, sollten Werte eingefordert werden. Aus der nationalen Identität müssen sich diese Werte entwickeln«, redete der Fernsehmoderator (»Wickerts Bücher«) Klartext und forderte mehr bürgerliche Tugenden.
Sicherlich sei es lästig, Kinder zu Respekt zu erziehen, »aber man muss es tun«. Einfacher sei es natürlich, den Nachwuchs vor den Fernseher zu setzen, als sich mit ihm auseinander zu setzen. »Wir müssen wieder lernen, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen«, hofft Wickert, dass die Mentalität der »sozialen Hängematte« immer mehr verblasst: »Es kann doch nicht sein, dass polnische Lehrer und Professoren bei uns den Spargel stechen und die Deutschen mit ärztlichem Attest über Rückenschmerzen jammern«.
Seine »Pille« für die Gesellschaft: »Man muss den Gemeinschaftsdienst als Ehrendienst verstehen«. Jeder müsse im Kleinen etwas tun: »Das wirkt. Und dafür braucht man weder Held noch Heiliger zu sein«.

Artikel vom 19.03.2007