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Ein »Andenken« an Vater und Sohn

Sohn von Willy Brandt erzählt im Lesezeichen von der Beziehung zu »V.«

Werther (law). »Für mich war ÝV.Ü weder Freund noch Feind. Für mich war er Natur«, sagt Lars Brandt über seinen Vater Willy. Ein besonderes Verhältnis verbindet den deutschen Altkanzler und seinen Sohn. Über seine ganz persönliche Verbindung zu seinem Vater hat Lars Brandt ein Buch geschrieben. Das stellte der Autor, Filmemacher und Fotograf am Donnerstag in der Buchhandlung Lesezeichen vor.

»Ich will nichts erklären oder aufklären, und ich will auch keine Neuigkeiten verbreiten«, sagt Lars Brand über sich und sein Buch. Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, wenn der Bonner aus den »Andenken« an seinen Vater liest. Schnell nimmt er die Besucher mit auf eine Reise nach Berlin und Bonn. Schnell baut er ein Bild auf, wie es ist, mit den Kindern von John F. Kennedy in der Limousine zu sitzen.
Es ist kein reißerisches Buch. Es sind vielmehr Episoden aus dem Alltag eines Kindes, dessen Vater zu den einflussreichsten Politikern in Deutschland zählte. Der 55-Jährige erzählt mit einer ungewöhnlichen Nüchternheit von seiner Kindheit und Jugend, aus der Zeit, als sein Vater regierender Bürgermeister von Berlin wird, wenig später Außenminister und dann Bundeskanzler.
Er nennt seinen Vater im Buch nicht beim Namen, sondern durchgängig »V.«. Dennoch besteht kein zerrüttetes Verhältnis zwischen dem 1992 verstorbenen Altkanzler und seinem Sohn. »Es war nicht spannungsfrei, aber eng«, sagt Lars Brandt. Als Bild benutzt er das gemeinsame Angeln mit seinem Vater. »Dabei taucht man ein ins Geheimnisvolle, in eine Mischung aus Nähe und Abstand«, erklärt Brandt.
Das Buch »Andenken«, das im vergangenem Jahr erschienen ist, ist weder eine Biografie noch eine politische Analyse. Es ist ein persönlicher Rückblick, bei dem die Mischung aus Nähe und Distanz besonders fasziniert. »Es geht nur um meinen Vater und mich«, erzählt der Mann mit der markanten Brille. »Ich hatte das Glück, alle Sachen vor dem Tod mit meinem Vater klären zu können«, erzählt Brandt. So ist dieses Buch weder als Abrechnung noch als Aufarbeitung zu verstehen.
Eine Chronologie gibt es nicht. Lars Brandt erzählt von Erinnerungen aus dem Wohnzimmer, »wo die gesamte SPD-Fraktion Platz gefunden hätte und wo Helmut Schmidt seine Wutausbrüche hatte« genauso wie von Treffen mit dem Sohn des rumänischen Diktators Ceausescu, das ihm in besonderer Erinnerung geblieben ist. Generell sind es besondere Erlebnisse, die Lars Brandt dazu bewegt haben, zunächst nur für sich, später für alle sein Verhältnis zu seinem Vater niederzuschreiben.
Er liest im Lesezeichen von »komisch-biederen Leuten«, die während der Kanzlerschaft auch tief hinein in seine Privatsphäre eingedrungen sind, und von den vielen Reisen, die er mit seinem Vater unternommen hat. Er erzählt, wie sein Vater - wahrscheinlich zum einzigen Mal in seinem Leben - Automaten-Passfotos von sich machen lässt. Auch diese persönlichen Erinnerungsstücke finden sich im Buch. Es sind nur kurze Episoden, die den etwa 40 Besuchern im Lesezeichen spannende Impressionen aus Kindheit und Jugend von Lars Brandt vermitteln.
Am Ende der Lesung wissen die Besucher weder etwas Neues über Willy Brandt als Kanzler noch über seinen Sohn als Künstler. Vielmehr haben sie etwas über die Nähe und Distanz eines berühmten Vaters zu seinem Sohn erfahren.

Artikel vom 17.03.2007