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Jakobsweg mit »Drahtesel« erkunden

Wilhelm Pieper (70) aus Holtfeld will in drei Wochen fast 1000 Kilometer zurücklegen

Von Victor Fritzen
Borgholzhausen (WB). Nicht erst seit Komiker Hape Kerkeling nach Santiago de Compostela pilgerte, zählt der Jakobsweg zu den berühmten Pilgerpfaden. Seit mehreren Jahrhunderten wandern und radeln Menschen aus allen Ecken der Welt die fast 1000 Kilometer lange Strecke - immer auf der Suche nach sich selbst. Auch Wilhelm Pieper aus Borgholzhausen will sich Ende April auf die weite Reise begeben.

Dann fliegt der 70-Jährige von Münster/Osnabrück ins spanische Bilbao. Von dort geht es weiter nach Pamplona, dem Ausgangspunkt seiner eigentliche Reise, der Reise auf dem Jakobsweg. Sie ist ein Teil seiner ganz persönlichen Vergangenheitsbewältigung, hat er doch immer noch mit einem privaten Schicksalsschlag, der mehr als 30 Jahren zurückliegt, zu kämpfen.
Zehn Jahre hatte der Piumer diese fixe Idee schon im Hinterkopf, doch bislang war die Umsetzung stets gescheitert. Wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag allerdings fasste der sportliche Senior den Entschluss, setzte sich ans Internet und wenige Minuten später war die Reise geplant. Doch von Pauschalreisen nahm der Piumer Abstand. »Ich will den Weg alleine bewältigen, meine eigenen Erfahrungen machen und mich überraschen lassen von dem, was mich erwartet«, erzählt das Mitglied der Herrenturn-Gruppe des TV Jahn. Kirchen, Herbergen, Klöster - auf 937 Kilometern gibt es viel zu erkunden. »Darauf freue ich mich sehr. Doch am größten ist mein Interesse an der nordspanischen Landschaft«, verdeutlicht der Natur-Fan, was er am liebsten sehen möchte. Auch sei er gespannt auf die Spanier, die am Straßenrand stünden. Wo es ihm gefalle, da wolle er sich auch schon mal länger aufhalten. »Ich werde den Kontakt zu den Leuten vor Ort suchen, trotz meiner Sprachprobleme. Zur Not verständige ich mich mit Händen und Füßen«, verrät er. Auch von möglichen Wetter-Eskapaden wolle er sich nicht abschrecken lassen.
Fahrrad-Fan sei er schon immer gewesen. Doch erst seit seiner Pensionierung vor zehn Jahren könne er sein Hobby so intensiv ausüben. Längere Strecken? Für Wilhelm Pieper kein Problem. »Ich radle etwa 4000 Kilometer im Jahr«, nennt er eine Größenordnung. Er sei schon viel mit dem »Drahtesel« in Deutschland rumgekommen. Von der tschechischen Grenze bis nach Rügen, von Borgholzhausen nach Cuxhaven und zurück sowie über den Spreeradweg - kein Weg ist ihm zu weit. Nur ein Unfall konnte Wilhelm Pieper seinerzeit stoppen, als er den Rhein von der Quelle bis zur Mündung abfahren wollte. Auf derartige Probleme und Zwischenfälle bei seinem Weg durch Nordspanien hofft er natürlich nicht. »Doch ausschließen kann man das nie. Da muss nur mal ein Autofahrer schlafen und schon ist es passiert«, berichtet er über unliebsame Erfahrungen.
Damit ihm dennoch nicht passiert, hat er sich gut gerüstet. Ohne Helm, gepolsterte Handschuhe, eine Brille und das passende Fahrrad-Outfit steigt der 70-Jährige nicht aufs Rad. Bevor es losgeht, will er seinen fahrbaren Untersatz noch einmal auf Vordermann bringen. Neue Ritzel, eine neue Kette und spezielle Reifen sollen bei dem zehn Jahre alten »Drahtesel« für optimalen Fahrspaß sorgen. Denn nicht nur seinen Fahrer muss das Fahrrad aushalten. »Ich muss etwa vier Taschen transportieren, die 20 Kilogramm wiegen. Da muss schon alles halten«, berichtet das Gründungsmitglied von »Die Bödinghausener«. Mit seiner Ausrüstung sei er für Tag und Nacht, für Wind und Wetter gerüstet.
Tipps und Ratschläge für die dreiwöchige Odyssee will er sich bei Carola und Horst Dallmeyer holen, die sich bereits einmal auf den Jakobsweg begeben hatten. Dann kann die Reise beginnen.
Wilhelm Piepers Wünsche: Unfallfrei durchkommen und die Vergangenheit so gut es geht bewältigen. Ehrgeizige Ziele, deren Erfüllung ihm zu wünschen wäre. Das Buch von Hape Kerkeling »Ich bin dann mal weg« will er im Übrigen erst lesen, wenn er wieder zurück ist. Wann dies soweit sein wird, kann der Piumer noch nicht genau sagen. »Ich plane drei Wochen ein und habe schon einen Rückflug gebucht. Doch man weiß ja nie, was kommt. Wenn es mir irgendwo besonders gut gefällt, schließe ich nicht aus, dass sich die Rückreise auch einige Tage verschiebt«, schmunzelt Pieper.

Artikel vom 09.03.2007