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»Abends hört der liebe Tisch einen Schrank«

AWO-Bildungstag zum neuen Kindergarten-Sprachtest

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Sieker (WB). »Abends hört der liebe Tisch einen Schrank« - »Wenn der Löffel lacht, hüpft er in den Mittag«. Mit Sätzen wie diesen soll bei Vierjährigen jetzt landesweit geprüft werden, ob sie für ihr Alter die deutsche Sprache richtig beherrschen und fit für die Grundschule sind.

Die »Quatschsätze« sind Bestandteil eines extra hierfür entwickelten Gesellschafts-Spiels mit Namen »Delfin 4« (Diagnostik, Elternarbeit und Förderung der Sprachkompetenz Vierjähriger), das es zwar nirgendwo zu kaufen gibt, aber in allen Kindertagesstätten (Kitas) seit März zur Pflicht geworden ist. 95 Erzieherinnen und fünf Erzieher ließen sich jetzt vom Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bielefelder Elfriede-Eilers-Zentrum an der Detmolder Straße in der vom Land neu vorgeschriebenen Sprachstandserhebung schulen.
»Die Sprachkompetenz der Kinder ist nicht altersadäquat entwickelt«, sagt Heike Brunnich, Abteilungsleiterin Kitas bei der AWO. Das hat auch die NRW-Landesregierung erkannt und Prof. Dr. Lilian Fried von der Universität Dortmund damit beauftragt, »Delfin« zu entwickeln. Herausgekommen ist ein virtueller »Besuch im Zoo«, bei dem die Kinder nicht nur Quatschsätze und Kunstwörter, sondern auch normale Sätze nachsprechen, Bilder beschreiben und Handlungsanweisungen ausführen sollen. Erreicht dabei jemand weniger als sieben Punkte, wird er als förderungswürdig angesehen.
»Das wird dann aber nicht wie eine Strafaktion organisiert; die Kinder sollen ja auch Spaß daran haben«, versichert Lisa Sommer, Kita-Fachberaterin bei der AWO. Das so genannte »Screening« (Siebtest) ist in Bielefelder Kindergärten nicht unbekannt, wird bereits seit 2000 praktiziert. Der Verein »Pro Bielefeld« und die Sparkasse finanzieren seit Jahren die Sprachförderung bei Vierjährigen, schwerpunktmäßig bei Migrationshintergrund.
Die AWO veranstaltete jetzt zum 4. Mal ihren ganztägigen Bildungstag inklusive Workshops. Neben »Delfin« spielten dabei auch andere Themen eine Rolle. So referierte Prof. Dr. Renate Zimmer über den Zusammenhang von »Bildung und Bewegung«. Prof. Dr. Anna Katharina Braun gab Antworten auf die Frage »Wie lernt das Gehirn?«
Übrigens: Eltern sei davon abgeraten, »Delfin« vor dem 20-minütigen Test in der Kita mit dem Kind zu üben. Erstens ist die Internet-Seite, auf der man bis vor kurzem noch Einsicht in den Fragebogen nehmen konnte, inzwischen gelöscht. Zweitens sei es »zwecklos und schädlich«, erklärte Lisa Sommer, weil es darum gehe, ein objektives Ergebnis zu erzielen, auf dem man Förderung aufbauen könne.
9000 Kitas gibt es in NRW und drei mal so viele Grundschulen. Zur Sprachförderung sollen Grundschullehrer in den Kitas mitarbeiten.

Artikel vom 08.03.2007