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Aus Briefen an die Redaktion


Sprachtests lohnen
den Aufwand nicht
Kritische Anmerkungen zu den jetzt angelaufenen Sprachstandstests in den Kindertagesstätten machen diese beide Mütter und WB-Leserinnen:
Seit vier Wochen lesen wir immer wieder über das Pilotprojekt der Sprachstandserhebung an Borgholzhausener und Haller Kindergärten. Spielerisch soll die Sprachentwicklung der vierjährigen Kinder getestet werden. Unentdeckte Defizite sollen somit festgestellt und durch eine gezielte Fördermaßnahme bis zum Schuleintritt ausgemerzt werden. Eine sehr lobenswerter Intention des Landes NRW, schon präventiv tätig zu werden und nicht erst bei Eintritt in die Grundschule.
Auch unsere Kinder haben an diesem Test teilnehmen müssen. Sie mussten mit drei anderen ihnen teilweise völlig fremden Kindern und zwei Erwachsenen (eine Erzieherin und eine Lehrerin), die zum Teil auch nicht bekannt waren, ein Spiel spielen, das nicht im entferntesten an Mensch-ärger-Dich-nicht erinnerte. Über Sinn und Ziel dieses Spiels wurden die Kinder nicht aufgeklärt, und sie wurden angehalten, nur zu sprechen wenn sie an der Reihe sind. Das Spiel dauert etwa 30 bis 45 Minuten. Die ganze Situation hatte den Charakter einer Prüfung, was durch vorformulierte, standardisierte Ansprache an die Kinder verschärft wurde. Wie schon in Ihrem Artikel erwähnt gab es manche Kinder, die unter diesen Bedingungen nichts gesagt haben, einige hatten Angst und haben geweint.Und mal ehrlich, wir wären unter solchen Bedingungen auch nicht gerade kooperationsbereit gewesen.
Für uns als Eltern stellen sich nun folgende Fragen:
Erstens: Ist dieses aufwändige Testverfahren der richtige Weg, sprachliche Defizite der Kinder festzustellen? Es werden eine Unmenge an Daten erhoben, die alle ausgewertet werden müssen. Dies erfordert und überfordert ein hohes Maß an personellen Ressourcen. Erzieherinnen und Lehrerinnen werden von ihren eigentlichen Aufgaben ersatzlos abgezogen, damit sie weitergebildet werden, um diese Tests durchzuführen.
Zweitens: Wird mit diesem Testverfahren nicht etwas ermittelt, was die Erziehrinnen schon längst wissen? In unseren Kindertagesstätten arbeiten Erzieherinnen, die alle eine fundierte und professionelle Ausbildung genossen haben. Es ist davon auszugehen, dass die gezielte Beobachtung eines Kindes, auch bezüglich seiner sprachlichen Entwicklung, Teil dieser Ausbildung ist. Warum macht man sich dieses Wissen nicht zu nutze? Nur bei »Verweigererkindern« werden die betreuenden Erzieherinnen befragt, ob sich der Eindruck im Test mit dem Verhalten in der Kindergartengruppe deckt.
Drittens: Wie soll die Fördermaßnahme aussehen? Die sprachlichen Defizite der Kinder können vielfältig sein. So gibt es unter anderem Kinder, die in der deutschen Sprache nicht sicher sind. Andere können bestimmte Buchstaben nicht richtig aussprechen oder haben Probleme mit der Grammatik. Wieder anderen mangelt es an Konzentrationsvermögen. Und dann gibt es noch jene Kinder, denen es an Selbstbewusstsein mangelt, mit anderen zu sprechen. Kann eine Fördermaßnahme all diese Facetten bedienen?
Wir möchten auch, dass unsere Kinder mit optimalen Sprachkenntnissen ins Schulleben starten. Doch dieses Testverfahren scheint uns den Aufwand nicht wert. Neue Erkenntnisse hat diese Studie nicht gebracht. Schade, dass in einer Zeit immer knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen in Kindertagesstätten die vorhandenen Mittel nicht sinnvoller eingesetzt werden.

SABINE LISKE und
MONIKA RIEPE, beide
33829 BORGHOLZHAUSEN

Artikel vom 06.03.2007