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Panik vorm Altern muss nicht sein

Henning Scherf liest vor 300 Zuhörern aus seinem Buch »Grau ist bunt«

Versmold (Felix). Von den Verschwörungstheorien eines Methusalem-Komplottes will Henning Scherf (68) nichts wissen. »Ich will beim Thema Alter nichts verharmlosen, sondern Angst, Panik und Schwarzmalerei herausnehmen und es als Gestaltungsaufgabe wichtig machen«, sagte der ehemalige Bremer Oberbürgermeister. 300 Zuhörer waren am Montag ins Autohaus Nagel gekommen. Sie hingen dem früheren Politiker regelrecht an den Lippen.

Das fiel leicht. Zum einen, weil das Thema Alter und älter werden wohl wie kein anderes immer mehr Menschen beschäftigt und Scherf mit seinem Buch regelrecht in eine Marktlücke erschlossen hat. Zum anderen, weil der 2,04 Meter große Hüne mit seinem launigen Vortragsstil schnell jegliche Berührungsängste abbaute. Das begann schon damit, dass der Jurist vor Beginn der eigentlichen Lesung erst einmal jeden Besucher im Autohaus, in das er auf Einladung der Buchhandlung Krüger und der Stadtbibliothek gekommen war, persönlich und größtenteils sogar per Handschlag begrüßte. Gesine Klack hatte Scherf persönlich nach Versmold gefahren.
Der Auftritt in Versmold war schließlich schon die zweite Lesung, die er am Montag hielt. Bereits am Nachmittag gastierte er in Nordhorn. Eine der 105 Lesungen, die Henning Scherf mit seinem Buch bereits absolviert hat. »250 liegen noch vor mir«, gestand der Unruheständler wie er im Buche steht mit verschmitztem Lächeln. Einer, der weiß und sagt, dass er kein Prototyp für alle älteren Teile der Gesellschaft ist. »Ich bin jetzt 68 und fühle mich noch fit - warum soll ich nichts tun?«, betonte er die Bedeutung von Aufgaben für die Zeit nach der eigentlichen Berufsphase. Und plädiert deshalb für individuelle Lösungen und Möglichkeiten.
»Schon 2050 wird die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre sein.« Den »Clash of Generations« will er aber dennoch so nicht sehen. Was er will, ist zum Nachdenken anregen. Ein Nachdenken über Alternativen zum vereinsamten Sterben in den eigenen vier Wänden oder dem Lebensabend im Alten- und Pflegeheim.
Über Freiheiten, Notwendigkeiten, Gemeinsamkeiten, das Hilfe brauchen und annehmen und das Abschied nehmen las Scherf aus seinem Buch »Grau ist bunt - Was im Alter möglich ist«. Und er verkniff sich den ein oder anderen kleinen Seitenhieb auf ehemalige oder (noch) aktive Politiker-Kollegen dabei nicht.
Freimütig erzählte Scherf aus seinem Leben, aus den Erfahrungen etwa, die er in seiner Wohngemeinschaft, 1988 gegründet, bis heute gesammelt hat. Aber mehr noch interessierten ihn die Meinungen und Fragen der Besucher. Sein Honorar übrigens spendete er für Projekte in Nicaragua, wie »Musica en los barrios« oder dem »Biblio Bus«, allesamt angestoßen von seiner Frau. Seit 47 Jahren sind die beiden miteinander verheiratet. »Dabei will ich ihr helfen. Sie hat mir in meinem Leben so viel geholfen. Jetzt will ich zeigen, dass ich auch noch was kann«.

Artikel vom 28.02.2007