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Immer mehr Kirchen
werden geschlossen

In NRW wurden schon 120 Predigtstätten aufgegeben

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Aus wirtschaftlichen Gründen haben die beiden evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen bereits 120 Kirchen sowie Gemeindehäuser mit Gottesdienststätten geschlossen - in Westfalen 56 und im Rheinland 64.
Die Gemeinde ist zu klein und das Gotteshaus baufällig: In Bielefeld-Senne wird in nächster Zeit die St. Johanneskirche abgerissen.
Dieser Trend werde sich fortsetzen, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens-Peter Iven, dieser Zeitung. Es müsse in den nächsten Jahren damit gerechnet werden, dass jährlich 10 bis 20 Predigtstätten entwidmet und verkauft werden. Die Evangelische Kirche von Westfalen plant bereits eine zentrale landeskirchliche Dienstleistungsagentur zur Verwertung von Immobilien. Die insgesamt 6500 Gebäude (darunter 910 Kirchen und Kapellen) werden derzeit von den fast 600 Kirchengemeinden und 31 Kirchenkreisen bewirtschaftet. Eine zentrale Stelle könne Kirchen, Gemeindezentren oder Pfarrhäuser besser verwalten und vermarkten, sagte der Sprecher der Landeskirche, Andreas Duderstedt.
Eine zentrale Dienstleistungsagentur widerspreche der Autonomie der Gemeinden, sagte hingegen Iven. Der Vorsitzende des »Evangelischen Forums Westfalen (ehemals Evangelische Akademikerschaft), Dr. Manfed Keller (Bochum), hält eine zentrale Vermarktung für sinnvoll, da einzelne Presbyterien mit der Schließung von Kirchen überfordert seien. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass die Gemeinden nicht entmachtet würden.
Keller schätzt, dass ein Drittel der bundesweit 45 500 evangelischen und katholischen Kirchen in Zukunft für Gottesdienste und Messen nicht mehr benötigt werden. Diese Schätzung werde durch vollzogene und geplante Schließungen gestützt. 15 000 Gotteshäuser stünden somit zur Disposition. Keller ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Evangelischen Akademikerschaft und Koordinator des Arbeitskreises »Kirchen öffnen und erhalten«.
Zudem habe sich die 50 Jahres-Prognose der Evangelischen Kirche (1980 bis 2030) bisher bestätigt. Die Mitgliedschaft werde sich halbieren und die Finanzkraft gehe um 60 Prozent zurück.
Um auf Grund dieser Entwicklung den Ausverkauf von Kirchen zu stoppen, sei es besser, Gemeindehäuser zu veräußern und die gesamte kirchliche Arbeit in die Kirchengebäude zu verlagern. Auch die Kommunen müssten mit ins Boot geholt werden. Sie könnten zum Beispiel Bürgerversammlungen in Kirchen abhalten sowie Informationsstellen, wie eine Schuldnerberatung, eingerichtet werden. Denkbar sei zudem, dass Schulen Gotteshäuser mitnutzen, um hier zum Beispiel Abiturfeiern zu veranstalten. Keller: »Kirchengebäude sind kulturelles Allgemeingut und öffentliches Erbe. Deshalb sollten sie nicht geschlossen oder entwidmet werden, sondern geöffnet und in finanziellen Notsituationen einer erweiterten Nutzung zugeführt werden.«
Die Evangelischen Kirchen haben bereits eine Immobilien-Plattform im Internet eingerichtet. Derzeit werden bundesweit 158 Gebäude, wie Kirchen, Pfarrhäuser und Gemeindehäuser sowie 84 Wohnbaugrundstücke und 34 Gewerbeflächen zum Verkauf angeboten. Täglich kämen neue Angebote hinzu, sagte Hans Mahlstedt vom Kirchenamt in Magdeburg, der die Immobilien-Plattform betreut. Die Zahl der Angebote werde sich noch deutlich erhöhen. Mit den bisherigen Verkaufserfolgen könnten die Kirchen zufrieden sein. Verkaufsangebote gibt es bislang in Berlin (drei Gebäude), Brandenburg (sieben), Hessen (drei), Mecklenburg-Vorpommern (zwölf), Niedersachsen (13), Nordrhein-Westfalen (eine ehemalige Kirche in Duisburg, ein zweigeschossiges Gebäude im lippischen Barntrup und ein Massivhaus in Rheinberg), Rheinland-Pfalz (zwei), Sachsen-Anhalt( 64), Sachsen (17) und Thüringen (36).
Die Katholische Kirche will bei Kirchenschließungen verhindern, dass in nicht mehr benötigten Gotteshäusern zum Beispiel eine Gaststätte eröffne. »Dann ist als letztes Mittel ein Abriss besser,« sagte der Sprecher des Erzbistums Paderborn, Thomas Throenle. Aktuell soll im Erzbistum die baufällige St. Johanneskirche in Bielefeld-Senne abgerissen werden. Kirchen könnten auch vorübergehend stillgelegt und »winterfest« gemacht werden, um sie bei Bedarf später wieder zu aktivieren.
www.kirchengrundstuecke.de

Artikel vom 02.03.2007