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Traum(schiff)-Job statt Hartz IV

Arbeitslose werden für Einsatz auf der »MS Deutschland« ausgebildet

Von Fabian Klask
Hamm (dpa). Nora hat schon so manchen Job gemacht: Als Pferde-Pflegerin und Verkäuferin hat die 22-Jährige gearbeitet, zuletzt in einem Kiosk gejobbt. Nur an eines hat die Hartz-IV-Empfängerin nie gedacht: dass das »Traumschiff« einmal auf sie warten würde.
Die Arbeit an Bord - das Ende der Jobsuche.

In einem Modellprojekt in Hamm werden junge Arbeitslose für den Einsatz auf Kreuzfahrtschiffen wie der »MS Deutschland« umgeschult - und bekommen eine Arbeitsplatz-Garantie. »Die Kreuzfahrtbranche boomt. Es werden ständig neue Schiffe gebaut, und gut ausgebildetes Personal ist ausgesprochen knapp«, sagt Projektleiterin und Kapitänsfrau Birgit Bär. Als Zentrum der Kreuzfahrtbranche ist Hamm bisher nicht in Erscheinung getreten. Doch angesichts von elf Prozent Arbeitslosenquote war das örtliche Jobcenter für das Projekt von Birgit Bärs Arbeitgeber, dem Hamburger Personaldienstleister »Mikro Partner«, schnell gewonnen und sicherte die Finanzierung.
Seit Oktober wird die erste Ausbildungsklasse mit dem Namen »Crewing I« auf den Einsatz in der Kreuzfahrtwelt vorbereitet. Zu lernen gibt es reichlich: »Der Luxus an Bord ist vergleichbar mit dem eines Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels.« Erfahrungen in der Gastronomie hat keiner der 25 Schüler. »Wir haben hier Dachdecker, Fliesenleger oder Jugendliche, die direkt von der Berufsschule kommen«, sagt Bär. Nach dem sechs Monate langen Kurs sollen sie in allen Bereichen arbeiten können: »In der Küche, im Restaurant, hinter der Bar, im Zimmerservice oder an der Rezeption«, erläutert die Projektleiterin.
Noch sitzen die Arbeitslosen täglich bei »Mikro Partner« und lernen, wie die Gäste zu verwöhnen sind: Die korrekte Abfolge von Fünf-Gänge-Menüs wird ebenso gepaukt wie die gepflegte Konversation mit dem zumeist etwas reiferen Gast. Weil die Seefahrt naturgemäß ein Gewerbe mit internationalem Charakter ist, steht zudem regelmäßiger Englisch-Unterricht auf dem Stundenplan der Umschüler.
Dass er sich in der fremden Welt der schwimmenden Fünf-Sterne- Hotels vielleicht nicht zurecht finden könnte, befürchtet der ehemalige Berufsschüler Rafael nicht. »Höflichkeit liegt mir im Blut«, sagt der 19-Jährige und lacht. Nach 50 bis 60 vergebens verschickten Bewerbungen sieht er nun seine Chance, »endlich eigenes Geld zu verdienen und die Welt zu sehen«.
Ein Traumjob auf dem Traumschiff? Birgit Bär nimmt schnell alle Illusionen: »Arbeitszeiten von zwölf bis 14 Stunden am Tag sind auf den Schiffen ganz normal. Und das an sieben Tagen in der Woche, bei einem Gehalt von 800 bis 1600 Euro«. Sechs bis acht Monate dauert so ein Knochenjob auf dem Luxusschiff: »Dann brauchen Sie erst mal Urlaub«, sagt die Ausbilderin und lächelt.
Ihre »Trockenübungen« werden die Umschüler schon in wenigen Wochen beenden: »Dann wird es endlich ernst«, freut sich Bär. Auf dem Rhein hat für das »Crewing«-Projekt die »MS River Art« festgemacht. Der Flusskreuzer dient der Gruppe für zwei Wochen als stilechte Übungskulisse. In einem Ausbildungszentrum in Schleswig-Holstein soll die Nachwuchs-Crew anschließend den letzten Schliff erhalten. Birgit Bär: »Wenn dann alles klappt, sind die meisten im April schon auf ihrem Schiff.«

Artikel vom 24.02.2007