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Nur das, was bei den Armen ankommt, zählt

Misereor-Fastenaktion gestern in Paderborn eröffnet

Von Franz-Josef Herber
Paderborn (WB). »Ohne Bildung fehlt eine der wichtigsten Voraussetzungen, um das Leben in die Hand zu nehmen und eine menschenwürdige Zukunft zu gestalten - und zwar überall auf der Welt.«

Erzbischof Hans-Josef Becker hat gestern bei der bundesweiten Eröffnung der Misereor-Fastenaktion »Entdecke, was zählt!« in Paderborn die Bedeutung der Bildung in allen Ländern unterstrichen. Er appellierte bei einem Gottesdienst im Hohen Dom an die Gläubigen, mit den vorurteilsfreien Augen Jesu auf die Zustände und Geschehnisse dieser Erde zu schauen und eine »globale Aufmerksamkeit« zu entwickeln. Dann, so der Paderborner Oberhirte, werde die Kirche ihrer Sendung gerecht, weltumspannend zu sein. In Paderborn war am Samstag der in Hamburg gestartete Pilgerzug mit einem großformatigen Hungertuch eingetroffen.
»Bildung« ist der Schwerpunkt der Misereor-Fastenaktion in diesem Jahr. »Ein Menschenrecht«, sagt der Hauptgeschäftsführer des in Aachen angesiedelten bischöflichen Hilfswerkes, Josef Sayer. Sie sei notwendig, damit Menschen sich entwickelten, ihre Fähigkeiten entfalteten und am Leben der Gesellschaft teilnehmen könnten. Wer glaube, so Sayer, dieses Problem gäbe es nur in Entwicklungsländern, irre sich gewaltig, auch Industriestaaten seien betroffen. Die Schulstudie Pisa und die Sorgen auf dem deutschen Lehrstellen- und Arbeitsmarkt hätten gezeigt, dass auch bei uns die Chancen auf einen Arbeitsplatz für gering Qualifizierte drastisch gesunken seien.
Was natürlich in keinem Verhältnis zu vielen unterentwickelten Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien steht. Dort haben mehr als 100 Millionen Kinder keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen und mehr als 770 Millionen Erwachsene, davon zwei Drittel Frauen, können nicht lesen oder schreiben. Damit gilt jeder sechste Erwachsene weltweit als Analphabet.
Unterstützung in seinen Bestrebungen erhielt Misereor am Wochenende verstärkt aus Paderborn: Beispielsweise vom Diözesanverband des Bundes Deutscher Katholischer Jugend. »Für uns ist Bildung mehr als nur Vokabeln und Mathematik lernen,« stellt Vorsitzende Barbara Funke klar und gibt die eigentlichen Ziele vor: »Im Leben seinen Mann und seine Frau stehen.« Die Jugendverbände beteiligten sich besonders intensiv an der Fastenaktion und sammelten fleißig Unterschriften, die den Politikern beim bevorstehenden G-8-Gipfel in Heiligendamm überreicht werden sollen.
Dabei gilt es, Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen an das Millennium-Versprechen zu erinnern, das sie zum Jahrtausendwechsel gegeben haben: die Halbierung der extremen Armut bis zum Jahr 2015. Wobei Funke und Sayer sich einig sind: »Die Halbzeitbilanz ist ernüchternd und zeigt, dass entschieden mehr getan werden muss.« Deshalb laute der Appell an die »Großen dieser Welt«: »Haltet Eure Versprechen. Es zählt, was ankommt bei den Armen!«

Artikel vom 26.02.2007