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Fantasy trifft Medizinbetrieb

Am Montagabend wird Dieter Wedels neuer Film vom ZDF ausgestrahlt

Mainz (WB/ist/dpa). Ein neuer »Wedel« war bislang noch immer ein TV-Ereignis. Und auch, wenn es sich bei »Mein alter Freund Fritz«, den das ZDF an diesem Montag um 20.15 Uhr ausstrahlt, lediglich um einen 95-Minüter aus einem Guss handelt, sollte das nicht anders sein.

Der tiefgründige Mehrteiler war bislang Dieter Wedels Fach: »Der große Bellheim« um einen Kaufhauskönig, »Der Schattenmann« um einen verdeckten Ermittler in Frankfurt, »Der König von St. Pauli« um eine Kiez-Größe und der Polit-Skandal »Die Affäre Semmeling«. Jetzt hat sich der Star-Regisseur den ganz normalen Krankenhausalltag vorgeknöpft.
Die Dreharbeiten führten das Team für etliche Tage nach Ostwestfalen. Die Villa Nordemann in Harsewinkel war das Domizil des Film-Chirurgen Harry Seidel und seiner Frau Lydia (Ulrich Tukur und Veronica Ferres in den Hauptrollen), auf der kurvigen Landstraße nach Melle wurde in Borgholzhausen die für die Story maßgebliche Unfallszene gedreht. Und auch Bielefeld gab gerne die Kulisse für einige Szenen - eine etwa entstand in der Stadtbibliothek.
Doch Wedel, den längst der Fall des Anlagebetrügers Jürgen Harksen, der VW-Skandal und der schwere Abgang des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber als neue Filmstoffe umtreiben, ging's bei allem Lob für die schönen Drehorte natürlich um die kritische Betrachtung. Und so zeigt er den Medizinbetrieb als einen Moloch: Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke. Da teilt der Chefarzt einem Patienten mit, dass dieser Krebs hat - und lässt den verzweifelten Mann Sekunden später mit der furchtbaren Diagnose allein. Zu hören ist dann nur noch das leise Weinen des Mannes, die Geräusche der Apparaturen und im Flur die Stimme des Chefs, der eine Krankenschwester anherrscht: »Nun reden Sie schon mit seiner Frau!«
Der 64-jährige Wedel hat für seinen neuen Film in diversen Kliniken recherchiert - und war »schockiert«. So prangert er die Kommerzialisierung und Bürokratisierung im Gesundheitswesen an. Im Zentrum der Geschichte steht Chefarzt Seidel, der sich immer häufiger den ökonomischen Zwängen beugen muss. Doch als er einen Autounfall nur knapp überlebt, gerät seine Welt und die seiner Frau völlig durcheinander: Der Mediziner hat plötzlich einen unerwünschten Begleiter. Sein vor 20 Jahren gestorbener Freund Fritz (Maximilian Brückner) weicht ihm nicht von der Seite. Die Gespräche mit dem - nur für Seidel sichtbaren - Geist wirken auf seine Umwelt verrückt. Ihn selbst jedoch erinnern sie an frühere Ideale: Als er noch Arzt werden wollte, allein um den Menschen zu helfen...
Auf die Idee, das Krankenhausthema mit einer Fantasy-Story zu verknüpfen, brachte Wedel die kaltschnäuzige Bemerkung eines Arztes kurz nach dem Tod seiner Mutter: »Ich habe schon 20 000 Herzen aufgeschnitten und nie so etwas wie eine Seele gefunden«.
Mit dem Mix aus Drama und Komödie, gründlich recherchierten Fakten, Märchen und Übersinnlichem sowie mit den hochkarätigen Schauspielern gelingt es dem Regisseur, seine Zuschauer emotional zu bewegen - zum Lachen und Weinen gleichermaßen. Dieter Wedel: »Schon bei Shakespeare kann man lernen: Das Dunkle wird noch dunkler, wenn es zwischendurch mal hell wird!«

Artikel vom 24.02.2007