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Brüssel jederzeit Gelbe Karte zeigen

Brok widerspricht Roman Herzogs Thesen zum Demokratie-Defizit der EU

Bielefeld (WB/RD). Die Bedenken, die Roman Herzog und Lüder Gerken zur Entwicklung der Europäischen Union vorgetragen haben, »sind zum Teil berechtigt und müssen ernst genommen werden«. Unzutreffend sei, dass der EU-Verfassungsvertrag dies alles festschreibe, meint der CDU-Europapolitiker Elmar Brok in einer Reaktion auf die Sonderseite »Europäische Union gefährdet parlamentarische Demokratie« in der Ausgabe vom 14. Februar.

Elmar Brok, der Mitglied des Verfassungskonvents in der Regierungskonferenz war, führt dazu an: Der Verfassungsvertrag gebe eine Reihe von positiven Antworten auf die Sorgen und Bedenken, die der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog und sein Mitautor Lüder Gerken geltend gemacht haben.
Erheblich gestärkt werde die Rolle des Deutschen Bundestages durch die bereits erfolgte Grundgesetzänderung und den Verfassungsvertrag selbst.
Die Europäische Kommission sei verpflichtet, alle Gesetzgebungsvorhaben den nationalen Parlamenten vor Beginn der Beratungen zuzuleiten. Und diese wiederum, sagt Brok, könnten der EU-Kommission jederzeit »die Gelbe Karte zeigen«, wenn sie mit deren Verfahrensweisen und Handlungen nicht einverstanden seien. Im übrigen hätten die Parlamente, also auch Bundestag und Bundesrat, ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof für den Fall, dass Europäisches Parlament und Europäischer Rat ein Gesetz dennoch beschließen.
Die Bundesregierung müsse in Zukunft »in der Regel« den Vorstellungen des Bundestages bei den Verhandlungen im Europäischen Rat folgen. Es liege am Parlament selbst, diese Möglichkeit auszuschöpfen.
Das Europäische Parlament erhalte in allen Gesetzgebungsfragen, die im Rat mit Mehrheit entschieden werden, ein gleichberechtigtes Mitentscheidungsrecht, so dass das von Roman Herzog nachdrücklich kritisierte »Demokratiedefizit im wesentlichen überwunden« werden könne. In Fällen, in denen der Rat einstimmig entscheiden müsse, könne im übrigen ein nationales Parlament über seine Regierung eine Entscheidung blockieren. Denn Zuständigkeiten könnten nicht gegen den Willen eines nationalen Parlaments auf die EU übertragen werden.
Die EU-Kommission wird laut Brok mit dem künftigen Verfassungsvertrag »stärker an den Willen des Bürgers gebunden«. Denn: In Zukunft solle das Ergebnis der Europawahl über den Vorschlag für den Kommissionspräsidenten und seine Wahl durch das Europäische Parlament entscheiden - diese Verbindung werde zu mehr »Demut in der EU-Kommission führen«. Im übrigen werde es die EU-Gesetzgebung einschließlich der Ausführung »rechtlich verbindlich mit einer Grundrechte-Charta« zu tun haben, die auf einem christlichen Menschenbild beruhe und stark die Handschrift Roman Herzogs zeige.
Der künftige Verfassungsvertrag besage ausdrücklich, dass die EU kein Staat und damit auch kein Bundesstaat werden solle und die Träger weiterhin die einzelnen Staaten seien. Allerdings könnten die großen Herausforderungen wie Energiesicherheit, Außen- und Sicherheitspolitik, Terrorismus, Globalisierung, Klimawandel etc. nicht mehr von den europäischen Nationalstaaten allein bewältigt werden. So gesehen stehe »Europas Schicksal« auf dem Spiel.
Leitartikel

Artikel vom 28.02.2007