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Pflanzenkundler sucht heimische Herbarien

Heinz Lienenbecker katalogisiert Flora von Ostwestfalen - Historische Zeugnisse wichtig

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Heide bedeckte vor Jahrzehnten den Teutoburger Wald, heute ist sie in ihren Wildformen verdrängt. Doch noch im Mai 1971 pflückte und presste Apothekerin Angelika Düllberg für ihr Studium im Quellental einen englischen Ginster. »Diese Heidepflanze steht heute auf der Roten Liste«, sagt Heinz Lienenbecker. Der Steinhagener Biologe ist auf der Suche nach weiteren historischen Funden, nach Herbarien.

Ein Herbarium, das ist die Sammlung verschiedener getrockneter und gepresster Pflanzen zum Zwecke der genauen Bestimmung. Angelika Düllberg musste damals Anfang der 70er Jahre für das Pharmazie-Studium 200 verschiedene Pflanzen im Bielefelder Umland suchen und bestimmen. Eine echte Fleißarbeit. »Aber das hat auch den Blick für den Wegesrand geschärft«, erzählt die Sonnen- Apothekerin schmunzelnd. Und natürlich bewahrt man solch eine aufwändige Arbeit auf, auch wenn sie im Berufsalltag keine Rolle mehr spielt.
Doch Angelika Düllbergs Kunde Heinz Lienenbecker war hocherfreut, in einem Gespräch von dieser Sammlung zu erfahren. Denn der Steinhagener Biologe arbeitet mit der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Bielefeld an einem »Herbar für OWL«, das im Bielefelder Naturkunde-Museum untergebracht ist. »5500 bis 6000 Belege, 1600 verschiedene Arten haben wir bereits gesammelt«, berichtet Lienenbecker. Die Blätter mit den gepressten Pflanzen werden aufgearbeitet und neu beschriftet. Das so entstehende Herbarium - »für den Bereich OWL ist das Projekt Neuland« - soll auch in ein internationales Verzeichnis für solche Herbarien in New York aufgenommen werden, so dass die Funde aus der Region Pflanzenkundlern in der ganzen Welt von Nutzen sein können, berichtet Lienenbecker.
Um ein vollständigeres Bild der heimischen Flora zu erhalten, sucht die Botanische Arbeitsgemeinschaft auch nach historischen Zeugnissen. »Wir vermuten, dass viele Apotheker und Biologen solche Sammlungen noch auf ihrem Dachboden haben«, ruft Heinz Lienenbecker auf, sich an ihn zu wenden (% 0 52 04 /26 55).
Angelika Düllberg hat ihre 200 Blätter mit gepressten Pflanzen als Dauerleihgabe an die Botanische Arbeitsgemeinschaft abgegeben. »Ich habe keinen einzigen Fehler darin gefunden«, sagt Heinz Lienenbecker schmunzelnd. Vielmehr freut er sich über die interessanten Belege etwa von Heidearten im Quellental: »Die Besenheide, der englische Ginster und die schopfige Kreuzblumen zeigen, dass dort früher großflächig Heide wuchs.« Auch Mauerfarne pflückte Angelika Düllberg einst an heute nicht mehr vorhandenen Standorten, etwa den Schildfarn, den braunen Streifenfarn, den Rippenfarn oder - eine echte Rarität - die Hirschzunge (»heute nur noch in Mauerspalten am alten Ummelner Bahnhof zu finden«).
Einen ganz besonderen Schatz verwahrt Angelika Düllberg noch in einem alten Lederkoffer: das Herbarium ihrer Großmutter. Als Nichte des Ziegler-Apothekers in Borgholzhausen interessierte sie sich sehr für Pflanzen und sammelte Anfang der 30er Jahre in der Heimat, vor allem aber bei ihren Juist-Urlauben Pflanzen. Darunter auch das seltene Meerstrands-Milchkraut und das dänische Löffelkraut. Ursprünglich nur auf Salzböden an der Küste wachsend, ist dieses inzwischen in ganz Deutschland verbreitet: »Und zwar entlang der Autobahn-Mittelstreifen und auf Mittelinseln der Bundesstraßen«, weiß Lienenbecker die Funde zu lesen. »Dort, wo Salz gestreut wird.«

Artikel vom 21.02.2007