20.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Menüauswahl im »Hotel Klinikum«

Die neue Küche des Städtischen Krankenhauses kann mehr als »nur« Patienten verpflegen

Von Stephan Rechlin (Text)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Gütersloh (WB). Zwei Minuten, länger nicht. Dann sind zehn Kilo Erbsen gar. Prall, grün, knackig, frisch. Schnell gekocht im Hochleistungs-Druckgarer, einer von einem guten Dutzend nagelneuer Kochmaschinen in der ebenso neuen Großküche des Städtischen Klinikums im Bettenhaus Süd.

Am 1. Februar verließ die erste Mahlzeit die neue Küche - da floss längst noch nicht überall Strom und Wasser, wo es laut Abnahmeprotokoll hätte fließen müssen. Manchmal kam das falsche Menü aufs Zimmer, manchmal traf es erst am Nachmittag ein. Auf den Stationen hatten die Schwestern mit den neuen, rundum geschlossenen Auslieferungswagen zu kämpfen. Küchenchef Dirk Fenske und sein Team rackerten rund um die Uhr, bis die »Kinderkrankheiten« der sensiblen High-Tech-Küche kuriert waren. Gestern nahm sie in ihren offiziellen Vollbetrieb auf - pannenfrei.
Die neue Technik hat es in sich. Eine Lüftungsdecke wie im Deutschen Bundestag - schnell zu reinigen und mit einer UV-Anlage dahinter, die das Eindringen von Fett in die Lüftungsschlitze verhindert; eine Druck-Braiserie mit elektronischer Programm-Steuerung, die frisches Gemüse bei Bedarf langsam und schonend gart. Zwei Spülmaschinen, eine für »schwarzes« Geschirr (Kochtöpfe und Pfannen), die andere für »weißes« (Porzellan). Kipp-Bratpfannen, Großkochkessel, Kombi-Dampfgarer - die neue Küche kann schon heute mehr als »nur« die rund 2000 Mahlzeiten pro Tag für Patienten, Klinik-Personal, Altenheim-Bewohner, Schulen und Kinder-Tagesstätten verpflegen. Vom Sommer an sollen rund 350 Mahlzeiten für Patienten, Altenheim-Bewohner und Schüler in Rheda-Wiedenbrück hinzukommen: »Das Krankenhaus dort ist schnell erreichbar, so dass die Menüs dort ebenso heiß und frisch ankommen werden wie auf unseren Stationen,« verspricht Dirk Fenske.
Ursprünglich war die neue Küche für einen Klinik-Verbund aus vier Krankenhäusern im Kreis Gütersloh geplant. Von Gütersloh aus sollten auch Patienten in Rheda-Wiedenbrück, Halle und Versmold versorgt werden. Doch die große Fusion ist erst einmal verschoben. Die große Küche aber bleibt. Und dürfte im Fall einer Ausgliederung des Küchen-Personals in eine private Küchen-GmbH zu einer ernsthaften Konkurrenz für Restaurants, Bringdienste und Caterer im Kreis Gütersloh werden.
Gemessen am Niveau kann es das Klinikum schon heute mit Hotelküchen aufnehmen. Den Patienten werden keine drei Menüs mehr pro Tag geboten, von denen sie dann eins auswählen dürfen. Sie können sich ihren Speiseplan nun individuell mit Hilfe einer Menükarte zusammenstellen. Unter den Stichworten »Die Klassiker«, »Pro Active«, »Modern Line« und »Vitafit« lädt das Klinikum wahlweise zur Rinderroulade mit Knödeln ein, zu gedünsteten Lachsstreifen auf Gemüse, zu marokkanischem Lammfleisch mit Kreuzkümmel und getrockneten Früchten oder einer Salatschale mit »knackfrischen Salaten der Saison.« Dazwischen gibt es vegetarische Menüs zur Auswahl, Eintöpfe und Portionen »für den kleinen Hunger.«
Noch in diesem Jahr will Dirk Fenske die Klinik-Küche von der Gütegemeinschaft Diät und Vollkost zertifizieren lassen. Es wäre ein weiteres, wichtiges Werbe-Argument auf dem freien Markt. Das sagt Fenske so natürlich nicht, um die vorhandene Nervosität unter den Mitarbeitern nicht noch weiter zu schüren. Doch die 46 zur Küche zählenden Vollzeit-Mitarbeiter - darunter Diätassistentinnen, die Mitarbeiter der Cafeteria, und die der Außenstelle Rheda - wissen längst, dass sie ins Visier der Haushalts- und Klinikexperten geraten sind. »Ist doch klar. Das Kerngeschäft der Klinik lautet nicht, besonders schön zu kochen. Wer sparen muss, schaut doch eher auf Bratpfannen als auf Ultraschallgeräte,« räumt Fenske ein.
Doch das hohe Niveau in der Küche weckt auch Hoffnung. Gutes, gesundes Essen bringt nicht nur kranke Menschen schneller wieder auf die Beine, es trifft auch den Nerv der Zeit. Im Klinikum stimmen gelernte Diät-Assistentinnen die Menüauswahl mit den Patienten ab - dieser Service ließe sich auch außer Haus organisieren. Die elektronisch steuerbaren Braisieren, Druck-, Dampf- und Kombigarer sind zu sensibel, um sie »Billigkräften« auszuliefern: »Da müssen schon Fachleute ran.« Einen erfolgreichen Probelauf unter Marktbedingungen hat die Klinik-Küche bereits im eigenen Haus absolviert. Der Party-Service ist ein »Renner« - derzeit aber nur hausintern.

Artikel vom 20.02.2007