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Krieger kennen kein Grau

Nagarkar schreibt über die Karriere eines Extremisten

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Grimmiges Gesicht, stechende Augen, dunkler Bart, brutal schon in seinem äußeren Erscheinungsbild: So stellt man sich den gemeinen Taliban vor. »Gottes kleiner Krieger« ist dagegen smart und intelligent, ein Mathematikgenie und ein Kind aufgeklärter Mittelstandseltern.

Und doch wird Zia -Êso heißt der Krieger -Êin dem Roman des Inders Kiran Nagarkar zum Extremisten, zum Terroristen. Sein erstes Ziel ist es, Salman Rushdie umzubringen. Später nimmt er das Gewehr und die Bombe um zu töten. Mit dem Messer sticht er auf seinen Bruder ein. Ein alter Mann, ein Art von Guru, durchschaut ihn sehr früh: »Du bist also der, der die Welt retten will? Die Frage ist, junger Mann, wer wird die Welt vor dir retten?«
In Palästina mag extremer Hass erblich sein. Doch Zia wächst in Bombay auf, studiert in Cambridge, entdeckt später christliche Wurzeln in seiner Biografie und zieht in ein Trappistenkloster. Zum Extremismus kommt er als Perfektionist. Jeder Kompromiss und jede Abweichung vom Ideal erwecken seinen Widerspruchsgeist. Zwischentöne erscheinen dem Selbstgerechten als Verrat.
Auf diesem Hintergrund ist es fast egal, welche Religion oder Weltsicht Zia als absolut setzt. Er selbst wechselt sie im Laufe seines Lebens. Diese überraschenden Wendungen und teilweise totalen Kehren erschweren ein bisschen die Lektüre des Romans. Einerseits erhalten sie die Spannung. Andererseits spürt man das künstliche Arrangement, wird so auf Distanz gebracht.
Für Distanz sorgen auch die Einwürfe und Briefe des Bruders. Mit ihnen ändert sich oft sehr abrupt der Romanstil. Ansonsten fast ein Thriller wird das Buch nun fast philosophisch. Auch andere Personen aus der Umgebung Zias erkennen und beklagen die Fragwürdigkeit eines Charakters, der keine Grautöne kennt. »Gottes kleiner Krieger« muss alle ängstigen. Und doch, meint Nagarkar, muss man sich mit ihm auseinandersetzen. Es reicht nicht, sich abzuwenden.
KIRAN NAGARKAR: Gottes kleiner Krieger, 694 Seiten, Verlag A 1, 28,80 Euro.

Artikel vom 07.03.2007