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Unseriöse Post
erregt viel Mitleid

Hospizgruppe warnt vor Kettenbrief

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Einem krebskranken Kind eine Freude machen - wer kann das ablehnen? Und so zieht ein Kettenbrief aus Österreich seit Jahren immer größere Kreise, jetzt sogar bis Steinhagen. Doch die Hospizgruppe warnt: Der Brief ist unseriös und behindert die Arbeit eines Krankenhauses.

In dem Brief, der vor allem an Behörden, Institutionen und Firmen per Post verschickt wird, wird rührselig der Wunsch eines kranken siebenjährigen Jungen geschildert, in das Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen zu werden. Dazu soll das Schreiben an zehn weitere Adressaten verschickt werden, die gesamten bisherigen Briefe in Kopie beiliegend. Eine Karte plus Brief soll zudem an den Jungen, der angeblich im niederösterreichischen Landeskrankenhaus Tulln liegt, gesendet werden.
Doch an der Geschichte ist nichts Wahres dran, sagen österreichische Verbraucherschützer: im Krankenhaus Tulln habe es diesen Patienten nie gegeben. Dennoch muss die Klinik nun mit einer großen Flut an Briefen leben. »Wir bekommen bis zu 100 Briefe am Tag«, sagt eine Mitarbeiterin. Das Öffnen der Post dauere dadurch fast eine Stunde länger als in der Zeit vor der Kettenbrief-Flut. Eine Aufklärungskampagne des Krankenhauses hat bislang noch nicht die erhoffte Wirkung gebracht, zumal der Brief im Ausland angekommen ist. Und einige Adressaten meinen es besonders gut und verschicken das Schreiben gleich an 100 statt zehn neue Kontakte.
Auf den Brief sind anscheinend auch schon Mitarbeiter des ZDF und des Bundesjustizministeriums hereingefallen. Und nun auch eine Hospizgruppe im Kreis Gütersloh, die den Brief an die Steinhagener Gruppe weiterleitete. Zufällig kannte Birgit Volkmanns Ehemann die Geschichte dieses gar nicht lustigen Jux-Briefes, und so warnen sie und Elke Winkler nun vor dem Weiterleiten. Denn das verstopft nicht nur den Briefkasten des Krankenhauses in Österreich, sondern kostet auch Geld. »1,45 Euro pro Brief. Für kleine Vereine ein echter Kostenfaktor«, so Birgit Volkmann.
Der Hintergrund solch eines Kettenbriefes sei oft, an Adressen für Werbezwecke zu gelangen, warnt auch Gerlinde Waschke von der Verbraucherzentrale NRW vor scheinbar harmlosen Kettenbriefen. Sie sind zwar nicht strafbar, wenn kein Geldgeschäft damit verbunden ist. Gleichwohl aber eben ärgerlich, zumal sich der Urheber nur schwer ermitteln lasse. Gerlinde Waschke: »Besonders schlimm ist natürlich solch ein Fall, wo mit einer Mitleidstour gearbeitet wird.«

Artikel vom 16.02.2007