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Kein Geschäft ohne ein langes Palaver

Exporte in die Türkei legen enorm zu -ÊPraxisbericht eines Schloß Holter Unternehmers

Von Bernhard Hertlein
Schloß Holte/Ankara (WB). Mögen auch politisch viele Stolpersteine das Vorwärtskommen erschweren: Wirtschaftlich hat es zwischen Europäischer Union und Türkei gefunkt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben sich die deutschen Exporte in die Türkei zwischen 2002 und 2006 von 7,5 auf 14,1 Milliarden Euro fast verdoppelt.

In umgekehrter Richtung fiel die Steigerung von 7,0 auf 8,5 Milliarden Euro nicht ganz so eindrucksvoll aus. Bei den Importen dominieren die Textilien mit einem Anteil von 41,4 Prozent. An zweiter Stelle folgen bereits Kfz und Kfz-Teile. In der Nähe Istanbuls produziert der Ottocar-Konzern kleinere Nutzfahrzeuge und Busse. Aber auch Autokonzerne wie Toyota und Renault fertigen längst schon in der Türkei.
Von Deutschland gehen in das Land am Bosporus vor allem Maschinen, chemische Erzeugnisse sowie ebenfalls Automobile. Das türkische Bruttosozialprodukt steigt seit Jahren kontinuierlich um 5 bis 7,5 Prozent.
Trotz der enormen Fortschritte bedarf es nach Ansicht Frank Ruthmanns für Geschäfte in der Türkei besonderer Vorbereitungen. Der geschäftsführende Gesellschafter der RWG Maschinenbau, die mit 30 Mitarbeitern und Maschinen zur Bearbeitung von Holz und Aluminiumprofilen in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) einen Umsatz von 4,5 Millionen Euro erwirtschaftet, glaubte vor seinem ersten Türkei-Auftrag, er wüsste schon in allen Dingen Bescheid: »Doch dann war wieder alles anders.«
Wichtig sei aus Sicht deutscher Händler vor allem, dass sie viel Zeit mitbringen. Während stundenlanger Palaver beim Tee werde Vertrauen aufgebaut, ohne das kein Geschäft getätigt würde. Die Konversation finde gewöhnlich in türkischer Sprache statt - auch dann, wenn der Gastgeber deutsch oder englisch spreche. Den Dolmetscher und zugleich Vertrauten soll man sich Ruthmann zufolge vor Ort suchen: Bei Deutsch-Türken fehle in der Türkei vielfach die Akzeptanz: »Das ist ganz anders als mit Russlanddeutschen im Russlandgeschäft.«
Wichtig sei auch, dass man im Unternehmen die Rangfolge einhalte: »Das Obrigkeitsdenken ist in der Türkei noch sehr verbreitet«, erklärt Ruthmann, der vor seinem Einstieg bei RWG im Vertrieb des Maschinenbauers Koch in Leopoldshöhe (Kreis Lippe) gearbeitet hat. Beim Alkohol sei große Zurückhaltung angebracht.
Stolpersteine lagern auch auf juristischem und dem Kreditsektor. »Rechtlich ist die Türkei Europa aber weitaus näher als andere, noch der Sharia verhaftete arabische Staaten«, meint Udo Wiemann, Leiter der Gütersloher Geschäftsstelle des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft und Veranstalter des Türkisch-Deutschen Mittelstandstreffs am 24. Februar in der Soester Stadthalle.
»Wundern könnte sich ein deutscher Unternehmer allerdings bei der Aufnahme eines kurzfristigen Bankkredites -Êund zwar über die drei Prozent Steuern, die in diesem Fall fällig werden«, berichtet Wolfgang Niggemeier.
Der Paderborner betreut in OWL Firmenkunden der europäischen Fortis-Bank, die im Herbst 2005 die große türkische Disbank übernommen hat und seitdem als Spezialist für deutsch-türkische Geschäfte gilt.

Artikel vom 13.02.2007