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Retten nach weltweiten Leitlinien

Umschulung in Sachen Wiederbelebung -ĂŠNeue Erkenntnisse in der Praxis umsetzen

Altkreis Halle (WB). Bei der Wiederbelebung muss jeder Handgriff sitzen, damit Rettungskräfte erfolgreich sind: Bei der Herzmassage, bei der künstlichen Beatmung und beim Einsatz eines so genannten Defibrillators, der gezielte Stromstöße abgibt. Teils seit 20 Jahren machen Ärzte und Rettungsassistenten nahezu immer das Gleiche bei der Wiederbelebung. Jetzt müssen sie umdenken.

In einer weltweit gültigen Leitlinie sind Empfehlungen aufgeführt, die Erfolg versprechender sind. »Das ist so, als müsse man die komplette Festplatte löschen«, zieht Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Kreis Gütersloh, einen Vergleich. Er und weitere Lehrkräfte übernehmen derzeit dieses Löschen und Neuprogrammieren der Festplatten von mehr als 200 Rettungsassistenten des Kreisrettungsdienstes, der Feuerwehren der Städte Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück, des Deutschen Roten Kreuzes, des Malteser-Hilfsdienstes und des Arbeiter-Samariter-Bundes in der Kreisfeuerwehrschule St. Vit (Rheda-Wiedenbrück).
An sieben verschiedenen Terminen zeigen Strickmann und Kollegen, wie die Lebensretter sich in unterschiedlichen Situationen verhalten: Wenn sie vor dem Notarzt eintreffen, wenn sie mit dem Notarzt eintreffen und wenn sie einen künstlichen Beatmungszugang mittels Spezialschläuchen legen müssen. Die Fortbildung hat in mehrfacher Sicht Premierencharakter: Die neuen Wiederbelebungs-Leitlinien erfordern eine theoretische und praktische Zertifizierung der Rettungsassistenten. Die geschieht nach dem OWL-Konsens, einem einheitlichen, den Weltleitlinien entsprechendem Schema. Laut Strickmann wurde bisher in ganz Deutschland noch keine so detaillierte Handlungsanleitung entworfen, die für eine ganze Region gilt. Erstmals trainieren auch Notärzte mit, um das Zusammenspiel mit den Rettungsassistenten zu üben. Das hat Modellcharakter, so die Verantwortlichen. Und die Kreisfeuerwehrschule St. Vit ist ebenfalls neu als Schulungsort, sie bietet genug Platz für drei parallel trainierende Gruppen. Kreisweit sind übrigens sämtliche Rettungsfahrzeuge nach dem gleichen Schema ausgestattet, egal von welcher der im Rettungsdienst des Kreises Gütersloh beteiligten Organisationen sie gelenkt werden.
Das Umschulen am künstlichen Patienten, das »Löschen der alten Festplatte«, verfolgt unter anderem das Ziel, bei der Wiederbelebung einen anderen Rhythmus einzuhalten als bisher, erläutert Eberhard Vogeler, bei der Feuerwehr Gütersloh für das Rettungswesen zuständig.
Früher wurde bis zu drei Mal in Folge defibrilliert, heute jeweils nur ein Mal. Es werde viel mehr Wert auf die Herzmassage gelegt, darauf, dass der dadurch mögliche Minimal-Kreislauf nicht unterbrochen wird. »Völlig unabhängig, was ihr auf dem Monitor seht: Erstmal zwei Minuten reanimieren«, impft Jens Blinde, Lehrrettungsassistent in der Rettungswache Halle und Dozent am Studieninstitut in Bielefeld, seinen Schülern ein. Der voll verdrahtete künstliche Notfallpatient sendet alle Lebenszeichen direkt auf den Laptop der Trainer. Ob tiefer drücken oder langsamer - die Schulungsteilnehmer erhalten sofort nach der Übung eine Resonanz. Neueste Studien sagen zum Beispiel auch, dass die Retter bei der Herzmassage nach zwei Minuten wechseln sollen - das haben in der Proberunde einige glatt vergessen.
Das Defibrillieren ist eigentlich eine notärztliche Maßnahme, erklärt Vogeler. Durch die Verwendung eines auf jedem Fahrzeug mitgeführten halbautomatischen Defibrillators darf diese Maßnahme auch durch Rettungsassistenten durchgeführt werden. Das Zertifikat, das die Rettungsassistenten erhalten, bedeutet, dass sie im Notfall das Gerät auch bedienen müssen, denn mit dem Zertifikat wurde die Beherrschung der Maßnahme bewiesen.

Artikel vom 13.02.2007