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Kraftvoller Chor und gefühlsstarke Soli

Glanvoller Abschluss und Rekord: Mehr als 4100 Zuschauer bei den 44. Haller Bach-Tagen

Von Eische Loose
Halle (WB). Ohne hoffnungsvollen Schimmer, dafür aber mit anhaltenden Standing Ovations endete am Samstag die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach. Ein überwältigender Abschluss der 44. Haller Bachtage vor voll besetzter Johanniskirche - insgesamt 4 100 Besucher brachen alle Rekorde -, der vor allem mit gefühlsstarken Soloparts, kraftvollem Chorwerk und virtuoser Orchesterbegleitung glänzte.

Fast ein wenig verlassen und »nur« mit der Aussicht auf Jesu Grab schloss die Reise entlang der letzten Tage. Die starke Interpretation der Passionsgeschichte, die Bach im Jahr 1727 zur Karfreitagsandacht verfasste, machte dabei den Verlust besonders spürbar, schritt den Leidensweg kontinuierlich hinab. Denn die Solisten erzählten im Wechselgesang nicht nur eine Geschichte. Ihre gefühlsbetonte Phrasierung wurde zum Nachempfinden, zum Augenzeugenbericht mit überzeugendem Pathos.
Die tragende Rolle spielte dabei der weiche Tenor von Christoph Prégardien, der von zartem Hauch bis zum druckvollen Ausbruch nie brach oder seine sensible Grundnote verlor. Zwischen hymnischer Klarheit und mitleidener Trauer, Empörung und Verwunderung kam dem Professor der Musikhochschule Köln vor allem die Rolle des Erzählers zu. Immer bereit, auch von seinen Mit-Solisten ähnlich starke innere Überzeugung zu verlangen. Besonders die unteren Tonlagen waren hier gefragt.
Gleich dreimal Bass antwortete Christoph Prégardiens Vorgaben: Mit deutlich akzentuiertem Bariton von Maximilian Lika, grabesschwerer Versenkung und dunkler Kraft von den Bassisten Peter Lika einerseits und Kai-Uwe Schöler andererseits. Selbst Szenen des Aufruhrs, wie die Verurteilung Jesu, erhielten so eine weiche Note tiefer Betroffenheit. Impressionen, die auch der harmonische Alt von Angelika Rohohl mit trug. Die Meisterschülerin der erkrankten Gerhild Romberger, die kurzfristig in die Proben einbezogen wurde, fügte sich hervorragend in das Gesamtbild der Interpretation der Matthäuspassion von Kirchenmusikdirektor Martin Rieker.
Ihm war auch zu verdanken, dass schon die jüngsten Mitglieder der Johanniskantorei erfolgreich in das Großwerk integriert werden konnten. Als Ausdruck des hoffnungsvollen Lichts der überzeugten Gläubigen, der einsamen doch standhaften Fürsprecher Jesu, setzten sie glanzvolle Lichtpunkte in die Leidensgeschichte. Das galt auch für den unaufdringlichen und doch nachhaltigen Schimmer im Sopran von Cornelie Isenbürger, sowie die hell aufscheinenden Stimmen von Anna-Lena Rieker und Elke Knufinke aus dem Chor der Kantorei. Der einzige Hinweis auf die folgende und doch in diesem Werk ausgesparte Auferstehung.
Eine Aussicht, die ansonsten vor allem den Instrumentalisten des Ensembles Aperto oblag. Hier hatte Bach nicht nur drängende Untermalung, sondern auch kontrastierend-bewegte Momente vorausschauend zarter Erlösung eingeschrieben, die nicht nur im perfekten Zusammenspiel, sondern auch in zahlreichen Soli deutlich spürbar wurde. Ein durchweg brillianter und in jeder Hinsicht großartiger Abschluss der Bachtage, der auch in der Bielefelder Wiederholung noch einmal für Begeisterung sorgte.

Artikel vom 12.02.2007