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Eine leise »Hausmusik« in
einzigartiger Atmosphäre

Bei Nachtkonzert ergänzen sich Clavichord und Altus

Halle (WB). Ein großartiges Musikfest feierten ungefähr 80 Besucher des Nachtkonzerts der Bach-Tage bei einem Konzert in der Herz-Jesu-Kirche. Eine einzigartige Atmosphäre: Denn die Musiker hatten nicht nur bei den Stücken, sondern auch bei der Ausführung ganz auf das alte Prinzip der Hausmusik gesetzt.

»Es ist das Fundament aller clavierten Instrumente«, zitierte Bernhard Klapprott Praetorius. Das Clavichord, Vorläufer des Cembalo und eines der ältesten Tasteninstrumente, das seit dem 12. Jahrhundert gespielt wird, verlieh dem Nachtkonzert seine besondere Prägung. Denn es war das beliebteste Instrument zur Zeit Bachs. Vor allem zu Haus- und Salonmusiken wurde sein pudrig zitherartiger Klang genutzt.
»Es war eine Kultur, bei der Tastenmusik und Gesang abwechselten und das Bestreben im Mittelpunkt stand, sich zu delektieren«, erklärte Bernhard Klapprott nicht nur das Instrument, sondern auch die Stück-Auswahl. Sie richtete sich vor allem nach dem »Musicalischen Gesangbuch« von Schemelli, einer für die Zeit typischen Sammlung von Bach-Werken. Dazu gehörte mit Christoph Dittmars Altus auch eine »alte« Stimme. Denn diese, auch Countertenor genannte höchste Tonlage der Männerstimmen, gehörte in die Bach-Zeit, in der Frauenstimmen generell nicht bei öffentlichen Aufführungen zugelassen waren.
In der Kombination gelang den beiden Künstlern, die sich seit Jahren der Aufführung alter Musik zuwenden, eine Darbietung, die die Besucher in der Herz-Jesu-Kirche wahrhaft delektierte. Die Französischen Suiten Nr. 2 und 4 gewannen durch die zarten Clavichord-Klänge an tänzerischer Leichtigkeit. Erhabenheit und Pomp wurden so menschlicher, fröhlicher, verspielter. Das zeigte sich besonders bei den Präludien und Fugen in c-moll und Es-Dur.
Die sparsam an der Orgel begleiteten Lieder »Brunnquell aller Güter«, »Jesu, meines Glaubens Zier« und »Der lieben Sonne Licht und Pracht« zeigten dabei, auf welche Weise mehrere Musiker teilweise spontan zu einem Abend in der »guten Stube« zusammenfanden. Dazu gehörte auch, dass sich die Musiker um das Instrument scharten, nicht das Publikum adressierten - ganz als fühle sich Christoph Dittmar im Moment von Bernhard Klapprotts Tastenkünsten inspiriert, seine Lieder zur allgemeinen Freude und purer Lust an der Musik beizusteuern.
Leider jedoch schien das Publikum vor allem auf virtuoses Tastenspiel fixiert. Erhielt der weiche Altus, der sich vor allem an tiefen Stellen der Bruststimme hin offen zeigte, doch regelmäßig keinen Applaus. Selbst nach dem Abschlussstück »Der Tag ist hin«, blieb minutenlang der Künstlerlohn aus, brandete erst nach einem Anstoß von Kenner und Musikpädagoge Martin Boes auf. Dann jedoch so anhaltend, dass sich die beiden Meister der alten Musik noch zu einer Zugabe hinreißen ließen. Eische Loose

Artikel vom 10.02.2007